Helmut Schmidt ist Kult. Klar, dass ein Buch mit „hunderte(n) Antworten auf brennende Fragen“ seitens des Altkanzlers und di Arrabiatas auf Interesse stößt. Aber hält es, was der Titel verspricht?
Altkanzler Helmut Schmidt und seine verstorbene Frau Loki sind so hip, dass es gar nicht hipster geht. Unübertroffen der trockene Humor seinerseits genau wie ihr Engagement als Pflanzenschützerin. Bereits im Jahr 2010 erschien das Büchlein mit dem Titel „Auf einen Kaffee mit Loki Schmidt“. Darin war eine Interviewsammlung enthalten, wie sie nun auch mit „Auf ein Gläschen mit Helmut Schmidt“ vorliegt.
Absurdität neu definiert
Die erste Hälfte des Buchs führt den Leser ad absurdum. Es beginnt mit einem Vorwort, das klischeehafter nicht sein könnte. Die Lobhudelei ist so ausschweifend, dass man aufrichtig hofft, dass ein unverständlicher Humor dahintersteckt. Das erfährt man allerdings nie mit Sicherheit. Jahreszahlen werden bisweilen mit „95 n. HS“ angegeben. Das ist derart übertrieben, dass der Einstieg ins Buch misslingt.
Trockener als Schmidt?
Es folgen belanglose Interviews und schließlich der Abschnitt, in dem „di Arrabiata“ versucht, trockener zu sein als Altkanzler Schmidt. Das gelingt nicht, denn er führt den Interviewer regelrecht vor und in die Lächerlichkeit. Warum dieser Textteil veröffentlicht wurde, ist ein Rätsel. Weitere Interviews zeigen eine Seite des Altkanzlers, die man beileibe nicht so verklären kann, wie es versucht wird. Wenn man beispielsweise erfährt, dass er einen bestimmten Wald nur aufgeforstet hat, weil er ihn zuvor durch eine weggeworfene Zigarette abgebrannt hat. Und ein Gerichtsurteil hinter der Aufforstung steht. Problematisch ist, dass es danach nicht besser wird.
Verwirrung vorprogrammiert
Hinter dem vermeintlichen Autor/ Interviewer “Lorenzo di Arrabiata” stecken Gideon Böss, Silvia Meixner und Alexander Wendt. Die erste Assoziation führt zu Giovanni di Lorenzo, seines Zeichens Mitautor des Buchs „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“. Was das Autorentrio damit erreichen will, bleibt unklar und verwirrt den Leser. Geht es hierbei um einen Streit zwischen Zeitungen? Di Lorenzo hat unter anderem bei der ZEIT veröffentlicht, während Böss zur WELT gehört und Wendt zum FOCUS.
Es geht damit weiter, dass der Titel „Auf ein Gläschen“ beinhaltet, aber immer nur der Zigarettenrauch abgebildet wird – sei es durch das Cover oder im Text. Das ist auch irreführend. Dazu kommen mehrfache Layoutfehler, die auch noch wiederholt auftreten. Was man allerdings nicht findet: Die Antworten auf brennende Fragen.
Am Ende fragt sich der Leser: Ist das eine verkappt geniale Kritik an Schmidt? Oder ist es einfach ein Drama, dass dieses Buch so veröffentlicht wurde?
Lorenzo di Arrabiata. Auf ein Gläschen mit Helmut Schmidt.
Knaus. 9,99 Euro.
Der vermeintliche Rauch der Weisheit