Das Jahr 1963. Frank Guidry arbeitet für den italienischen Mob in New Orleans. Er löst Probleme, kümmert sich um unliebsame Geschäftspartner und sorgt dafür, dass reichlich Geld in die Kassen fließt. Für den Mafiaboss Carlos Marcello ist er unersetzlich. – Glaubt er zumindest.
Als US-Präsident John F. Kennedy ermordet wird erinnert sich Guidry, dass er erst vor wenigen Tagen ein Auto nach Dallas gebracht hatte, das als Fluchtwagen bei einem nicht näher spezifizierten Job dienen sollte. Hat man ihn dazu benutzt, den Fluchtwagen für den Präsidentenmord zu organisieren?
Nun verlangen seine Bosse von ihm, dass er erneut nach Texas reist, um das Auto verschwinden zu lassen. Guidry befürchtet, dass man auch ihn als Mitwisser beseitigen möchte. Trotzdem fliegt er nach Dallas, wo seine bösen Vorahnungen bestätigt werden: Man hat bereits den brutalen Auftragskiller Barone auf ihn angesetzt. Nur knapp gelingt es Frank Guidry zu entkommen, aber ohne Geld und eine neue Identität erwartet ihn ein Spießrutenlauf durch die gesamten USA.
Unterdessen träumt die junge Mutter Charlotte Ray in der Kleinstadt Woodrow in Oklahoma von einer Karriere als Fotografin. Von ihrem nichtsnutzigen Ehemann enttäuscht sehnt sie sich nach einem erfüllten, aufregenden Leben. Der Anschlag auf den Präsidenten reißt auch die verschlafene Kleinstadt aus ihrer Lethargie und Charlotte bringt den Mut auf, ihren Mann zu verlassen und begibt sich mit ihren zwei Kindern auf einen Road Trip durch den Süden der USA.
Bald werden sich die Wege des flüchtenden Verbrechers und der braven Hausfrau kreuzen. Eine schicksalhafte Begegnung, aber auch eine Beziehung die auf Dauer keine Zukunft zu haben scheint.
Hart, schnell, spannend aber ohne auch nur einen Funken Originalität entwickelt sich die Handlung von „November Road“. Das Kennedy-Attentat bildet dabei nur den Hintergrund vor dem sich die Ereignisse entfalten. Lou Berney hat keinen historischen Roman verfasst. Es ist zwar recht offensichtlich, dass Lee Harvey Oswald hier nur den Sündenbock darstellt, doch die tieferen Verwicklungen und die ganze komplexe Verschwörung um den Mord werden nicht weiter thematisiert. Stattdessen gibt es viel oberflächliche Spannung, einige harte Gewaltszenen und zumindest anfangs beeindruckend lebhafte Beschreibungen des Südstaaten-Milieus. Hier, zu Beginn gelingt es dem Autor eine sehr dichte Stimmung zu schaffen, welche den Leser gleich gefangen nimmt. Die schwüle Hitze, das wilde temperamentvolle Treiben der Stadtbewohner von New Orleans, der Schauplatz lässt sich fast mit den Händen greifen so eindringlich beschreibt Berney die Geschehnisse. Schade nur, dass so wie sich die Handlung von Louisiana entfernt auch der Stil des Buches verflacht.
Hauptfigur Frank Guidry ist kein uneingeschränkter Sympathieträger, er wird als erbarmungsloser Karrieremensch gezeichnet. Gleich am Anfang liefert Guidry einen Kollegen ans Messer, der ihn um Hilfe anfleht. Auch sein Umgang mit Frauen würde heute wohl für Kopfschütteln sorgen. Statt einer dauerhaften Beziehung bevorzugt Guidry One-Night-Stands und schmeißt seine Sexualpartnerinnen am nächsten Morgen dann auch mal ziemlich grob aus der Wohnung. Vielleicht kein guter Mensch, trotzdem einer mit dem man mitfiebert, als er in Bedrängnis gerät. Denn er ist intelligent und offenbar weniger verroht als viele seiner Gangsterkollegen.
Charlotte kommt aus einem ganz anderen Milieu. Dennoch verfügt auch sie über genug Realitätssinn, um sich im Leben behaupten zu können. Männlichen Autoren wird häufig vorgeworfen, sie könnten keine glaubwürdigen weiblichen Charaktere schreiben, doch Lou Berney scheint auch in dieser Hinsicht über dem Durchschnitt zu liegen. Charlotte ist ein guter, warmherziger Mensch, ohne aber dabei langweilig herüberzukommen.
Die restlichen Figuren bleiben bloße Staffage. Der Bösewicht, Barone ist einfach ein gefährlicher, brutaler Typ, vor dem es kein Entkommen gibt. Rücksichtslos, wie eine Dampfwalze entledigt er sich seiner Opfer ohne aber dabei als wirklich charismatischer Antagonist hervorzutreten.
Auf der Jagd nach Guidry hinterlässt er eine großzügige Blutspur und macht dabei auch vor Gesetzeshütern nicht halt. Es gibt sogar eine Szene wo er einen Sheriff auf einer Polizeiwache tötet. Vielleicht eine Hommage an No Country For Old Men?
Das Finale der Geschichte schließlich gestaltet sich besonders abgedroschen, funktioniert vielleicht auf emotionaler Ebene einigermaßen, aber mangels nennenswerter Überraschungen versandet November Road am Ende im Mittelmaß ähnlich gearteter Hardboiled-Romane. Dabei kann Berney offensichtlich schreiben, nur plotten kann er nicht wirklich. Sollte er in dieser Hinsicht dazu lernen, könnte er der Konkurrenz irgendwann gefährlich werden.