Rezension zu "Alle Frauen sind Huren" von Loubna Abidar
Wer wirklich aus erster Hand verstehen will, welchen kulturellen Hintergrund die Ereignisse der Silvesternacht 2015 in Köln und anderswo hatten, der sollte unbedingt dieses Buch lesen. Geschrieben hat es Loubna Abidar, eine preisgekrönte marokkanische Schauspielerin, die inzwischen aus ihrer Heimat nach Frankreich geflohen ist, weil sie in Marokko ihres Lebens nicht mehr sicher sein kann. Sie spielte in einem Film eine Prostituierte und war dort einmal kurz in einer völlig harmlosen Nacktszene zu sehen. Das reichte jedoch aus, um angeblich das ganze Königreich zu entehren. Als sie in der Nähe von Casablancas Bahnhof in ein Auto gezerrt, zusammengeschlagen und wieder hinausgeworfen wurde, weigerte sich ein Krankenhaus sie zu behandeln. Die Polizei lachte sie aus und schickte sie weg, was ihren Verdacht, dass diese Leute ihr das auch angetan hatten, noch verstärkte.
Nun geht es in diesem Buch nicht nur um diese für europäische Leser verstörende Geschichte, die nur das Ende dieses Buches bildet. Vielmehr schildert Abidar ihr Leben bis zu diesem Einschnitt. Und mit diesen Schilderungen gewinnt man einen erschreckenden Einblick in die Alltagskultur der nordafrikanischen Mittelmeerländern am Beispiel Marokkos. Die deutsche Ausgabe trägt einen provokanten Titel, der ihren Inhalt jedoch kurz und knapp beschreibt, während das Buch im Original nur "Die Gefährliche" heißt, so wie Abidar in Marokko genannt wird.
Auf Abidars Körper befinden sich zahlreiche Narben, die von den Misshandlungen durch ihren Vater erzählen. Er quälte sie, weil sie kein Junge geworden und ihm langweilig war. Geld mit Arbeit zu verdienen, kam ihm nicht in den Sinn. Dafür hatte er schließlich eine Frau. Glücklicherweise kam Loubna Abidar mit einer Lebens- und Willenskraft auf diese Erde, die ihr half, das alles auszuhalten und ihr Ziel, Schauspielerin zu werden, nicht aus den Augen zu verlieren. Während ihre Mutter nicht die Kraft fand, sich von ihrem Tyrannen zu befreien, schmiss Loubna ihn kurzerhand hinaus, obwohl sie noch minderjährig war. Und sie schaffte es auch, für ihre Mutter ein Geschäft aufzubauen.
Für den europäischen Leser bietet dieses Buch einen Einblick in eine frauenverachtende Kultur, die es so in Europa niemals gegeben hat. Nach dieser Lektüre wird man nicht mehr glauben können, dass man Männer aus diesem Kulturkreis in der Masse ändern werden kann, indem man ihnen ein paar Regeln des Zusammenlebens in Deutschland erklärt. Was man in seiner Kindheit und Jugend als männlicher Nachfahre in solchen nordafrikanischen Familien im Alltag als ungeschriebenes Gesetz erlebt hat, besitzt tiefe Wurzeln und lässt sich kaum noch verändern.
Ein erschütterndes Buch, nach dessen Lektüre man die Vorgänge in Köln und anderswo mit Sicherheit besser verstehen und richtig einordnen kann.