Cover des Buches Señor Vivo und die Kokabriefe (ISBN: 9783596167869)
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Rezension zu Señor Vivo und die Kokabriefe von Louis de Bernières

Rezension zu "Señor Vivo und die Kokabriefe" von Louis de Bernières

von Archibald Pynchon-Light vor 13 Jahren

Rezension

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Archibald Pynchon-Lightvor 13 Jahren
Louis de Bernières wurde 1954 in London geboren, wuchs im Nahen Osten auf und lebte viele Jahre in Lateinamerika. Der Mann ist rumgekommen und hat viel zu erzählen. Wer „Corellis Mandoline“ kennt (das Buch, nicht den Film, der nur die Liebesgeschichte herausgefiltert hat), kann erahnen, was ihn erwartet. Ein überbordendes Panoptikum schillernder Figuren in einer phantastischen, oft brutalen, aber auch vor Lebensfreude sprühenden Welt. Die drei Romane spielen in einem fiktiven südamerikanischen Land oder besser einer Mischung aus allen südamerikanischen Ländern, ihren Legenden, Mythen und ihrer Geschichte. Magischer Realismus auf der einen Seite und brutale, verstörend-realistische Gewalt auf der anderen. Das erinnert an die Bücher von Gabriel Garcia Marquez und die Filme von Emir Kusturica. Eben das pralle Leben. Eindrücklich wird das Leben in südamerikanischen Diktaturen beschrieben. Militär, Kirche, Regierung, Terroristen und Kommunisten versuchen ihre Interessen durchzusetzen und meist geschieht dies auf dem Rücken der Landbevölkerung, die einer unvorstellbaren Gewalt und Willkür ausgesetzt sind. Menschen werden zu Hunderten verschleppt, es gibt Folterungen und Massenvergewaltigungen, die absolut schockierend sind. Weniger wegen der detailierten Schilderungen, sondern wegen der Beiläufigkeit, mit der sie ausgeführt werden. Die Atmosphäre der ständigen Bedrohung, die Beliebigkeit, mit der die Täter ihre Auswahl treffen und die völlige Missachtung des Wertes eines Menschenlebens. Die Ereignisse werden vom Autor nicht bewertet, sondern sachlich bis lakonisch geschildert, aber trotzdem wirken sie nachhaltig. Und vor allem ist vorstellbar, dass sich solche Ereignisse wirklich zugetragen haben. Die drei Bände können unabhängig voneinander gelesen werden, da sie ineinander abgeschlossen sind, wobei ein Großteil der Protagonisten des ersten Bandes auch im dritten Teil wieder die Hauptrolle spielt. Im ersten Band „Der zufällige Krieg des Don Emmanuel“ ist es Dona Constanza, die einen Fluss, dem die Bauern ihr Trinkwasser entnehmen, umleiten lässt, um ihren Swimmingpool zu füllen. Vergleiche mit der New-Mexiko-Trilogie von John Nichols („Milagro“) sind hier berechtigt und so wie das Umleiten des Baches in „Milagro“ nur eine von unzähligen Episoden ist, kann man auch die Handlung dieses Buches kaum nacherzählen. Vielleicht so viel: Es handelt sich um ein Dorf voller mehr oder weniger liebenswerter Exzentriker, die sich mit List auf aberwitzige Weise gegen korrupte Politiker und mordlüsterne Militärs wehren müssen und in der abgelegenen Wildnis einen neuen Ort gründen. „Senior Vivo und die Kokabriefe“ handelt von einem Philosophiestudenten, der mit Briefen den Kampf gegen die Drogenkartelle aufnimmt und die große Liebe findet. Es folgen eine Reihe von Attentaten auf den Briefeschreiber, die so grandios scheitern, dass man vor Schadenfreude applaudieren möchte. Der kürzeste, kompakteste und meiner Meinung nach beste Band der Trilogie. Auch als Einstieg geeignet. In „Das Kind des Kardinals“ wird das Land von einer neuen Inquisition heimgesucht, die mordend durchs Land zieht, um die Sünde zu vertreiben. Der dritte Band enthält alle Zutaten, die die ersten beiden Bände so herausragend gemacht haben, aber er kann im direkten Vergleich nicht völlig überzeugen. Trotzdem wird niemand, der die Abenteuer dieses Dorfes bis hierhin verfolgt hat, auf diese Lektüre verzichten wollen. Ich würde es auch nicht tun.
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