Rezension zu "Mein Herz schlägt grün" von Louisa Dellert
Ich persönlich gebe zu: ich hätte mir das Buch jetzt nicht persönlich gekauft, denn das, was seit einigen Jahren als Nachhaltigkeit bezeichnet wird in unserer Gesellschaft ist das, womit ich bei meiner Vollkornmutti aufgewachsen bin in den Neunzigern und Zweitausendern. Ich kannte schon Jutebeutel und hab mitbekommen, wie meine Mutter sich mit dem Schlachter darum gestritten hat, dass sie gerne ihren Einkauf plastikfrei haben möchte. Ich war das Kind, dass nicht Capri Sonne mit zur Schule bekommen hat, sondern eine Flasche mit Leitungswasser und deswegen die Uncoole war. Vielleicht waren es ja gerade Menschen, die so uncool aufgewachsen sind wie ich in der Zeit des bunten Plastiks, die dann gedacht haben: wir machen daraus jetzt einfach ein Trend und sind dann die krassen Hipster?
Wie ist denn dann zu diesem Buch gekommen bin, fragst du dich?
Meine Mutter und ich nehmen leidenschaftlich gerne im Dezember an Adventskalender Gewinnspielen teil und anders als ich hatte meine Mutter dieses Jahr Glück und hat einen Gewinn gehabt, nämlich eigentlich ein Set zum unterwegs essen, stattdessen hat sie aber einen falschen Gewinn geschickt bekommen, unter anderem dieses Buch und nun hat meine Mutter ist weiß ich liegen und ist ein wenig ratlos, was sie damit machen soll. Mir schenken wäre keine gute Idee, denn auch mein Mann und ich leben danach, wie unsere Vollkornmütter uns erzogen haben und ich würde sogar sagen, dass unsere Vollkornmuttis wahrscheinlich ein Faktor ist, warum wir so gut als Paar funktionieren, auch in Sachen Ernährung Lebensstil, da wir beispielsweise bewusst ohne Auto leben solange es sich vermeiden lässt.
Was dieses Buch bietet, ist eine Übersicht über die absoluten Basics in Sachen Nachhaltigkeit, darauf muss ich nicht weiter eingehen, das Buch hat dabei alle wichtigen Bereiche abgedeckt und es deswegen eine gute Übersicht für Menschen, die sich erstmalig mit dem Thema beschäftigen möchten, alle anderen sind wahrscheinlich schnell gelangweilt.
Drei Kritikpunkte nenne ich aber bei diesem Buch:
Erstens finde ich schade, dass dieses Buch nur für eine Leserschaft gemacht ist, die absolute Anfänger sind und alle anderen mehr oder weniger enttäuscht sein werden. Und dieser Eindruck verdichtet sich noch, wenn man sieht, dass es auch andere Merchandising Produkte wie ein Taschenkalender und einen Tischkalender zu diesem Buch gab. Das macht für mich irgendwie ein bitterem bei Geschmack und ist halt schade, dass man nicht die Zielgruppe der Menschen, die schon vor Erfahrung haben mit dem Thema Nachhaltigkeit mit ins Boot holt in dem man beispielsweise Exkurse gibt für Fortgeschrittene. Alles ist doch auf einem sehr extremen Basic Level.
Zweitens finde ich an dem Buch schade, dass es oftmals mit dem erhobenen Zeigefinger kommt, weil ich glaube, dass das eben auch Menschen, die gerade Anfänger sind in diesem Gebiet ein schlechtes Gewissen macht und vielleicht auch eine Abwehrreaktion hervorruft. Als eine Person, die sich lange mit dem Thema Nachhaltigkeit und Veganismus beschäftigt, auch aufgrund einer eigenen Lebensmittelallergie habe ich leider sehr negative Erfahrung damit gemacht, dass eben auch dieser Dogmatismus schädlich ist, um Menschen von diesen Themen zu überzeugen.
Und die dritte Kritikpunkt ist ein Punkt, der über das Buch weit hinausgeht, nämlich leider das fehlende Bewusstsein von Menschen, die mit Themen wie Nachhaltigkeit, Minimalismus oder Veganismus zu tun haben, Oftmals das absolute Bewusstsein fehlt dafür, dass sie sehr privilegiert sind, wenn sie sich mit solchen Themen auseinandersetzen können und überhaupt die Zeit dafür haben, diese Entscheidung zu treffen und auch die Finanzen haben, bewusste Entscheidungen zu treffen. Wir haben leider in unserer Gesellschaft ähnlich wie das nur harte Arbeit gute Arbeit ist auch die Sozialisierung, dass mehr Geld ausgeben für Lebensmittel automatisch voraussetzt, dass Lebensmittel besser sind und so denken viele Leute leider, dass grundsätzlich alles, worauf Bio steht, gesünder ist, egal wie stark es in Plastik verpackt oder wie viel Zucker enthalten ist. ich fände es durchaus wünschenswert, wenn Werke zu einem Thema wie diesen sich auch bewusst sind, dass nicht jeder unendlich viel Zeit oder finanzielle Ressourcen hat und eben auch für kleinere Geldbeutel oder für die allein erziehende Mutter mit 2-3 Jobs Möglichkeiten hat, realistisch einen Unterschied zu machen in Sachen Nachhaltigkeit. Und das sehe ich leider nicht zu 100 % in diesem Buch.