Rezension zu "Ein Lied für die Geister" von Louise Erdrich
Dies ist mein drittes Buch aus der Feder der prämierten, amerikanischen Autorin Louise Erdrich. Die Geschichte, die auf einer alten indianischen Tradition basiert, klang sehr verheißungsvoll: Ein Vater erschießt aus Versehen den Sohn des Nachbarn und gibt dafür sein eigenes, gleichaltriges Kind in die Obhut der trauernden Familie. Inhaltlich eine sehr ansprechende, vielschichtige Ausgangslage, der ich mich gern auf emotionaler Ebene gewidmet hätte. Doch gerade das erste Drittel des Romans verliert sich zwischen den zahlreichen Protagonisten, unrelevanten Informationen über die Vergangenheit und die diversen Beziehungsgeflechte untereinander, sowie einer erschreckend nüchternen Erzählweise, die mir in Anbetracht der Thematik leider überhaupt nicht gefallen hat.
Die dominante Erzählstimme der auktorialen Erzählfigur lässt die Distanz zwischen dem Leser und den Protagonisten nicht geringer werden. Erst ab der Mitte des Buches kommt mehr Dichte und Feinfühligkeit in den Text, es ergibt sich ein runderes Bild über die Hintergründe und die Befindlichkeiten der einzelnen Charaktere.
Abschließend muss ich wohl einsehen, dass mich der Erzählstil von Frau Erdrich bisher nie so ganz überzeugen konnte, obwohl mich die ausgewählten Themen, die erdachten Geschichten und die potentiellen Hintergründe immer wieder zu ihren Büchern führen. Möglicherweise nähert sie sich aus einer ganz anderen Richtung und deshalb bleibt mir der Mehrwert ihrer Bücher verschlossen.
Fazit
Ich vergebe 3 Lesesterne für eine umfassende, individuelle Geschichte, die voller bunter Facetten steckt und eine Palette an Möglichkeiten bietet, hier jedoch eigenwillig präsentiert wird. Der Funke wollte einfach nicht überspringen, obwohl literarisch keine größeren Mängel zu finden sind. Wer mit einer neutralen Erwartungshaltung an die Lektüre geht und sich der Thematik auf sachlich-geistiger Ebene nähern möchte, könnte daran Gefallen finden. Ich bleibe doch eher enttäuscht zurück und sollte mir vor dem nächsten Kauf nochmals vor Augen führen, welche persönlichen Kritikpunkte bei Louise Erdrich anzusetzen sind.