Inhalt gut, Sprache gut – und doch nicht meins.
von leselea
Kurzmeinung: Schonungslos und ehrlich, gut geschrieben - aber einfach nicht meins.
Rezension
Judith hat wohl all das erlebt, was man als „schlimme Kindheit“ bezeichnet: Vom Stiefvater missbraucht, von der Mutter verlassen, von Menschen, die hätten helfen können, übersehen worden. Was ihr bleibt sind Alkohol, Drogen, die Schule zu schwänzen und von Zuhause abzuhauen. Über Ella, eine Partybekanntschaft, landet sie schließlich in einer betreuten Wohngemeinschaft. Zwischen Nebenjobs, Gruppentherapie und einer kleinen Schwärmerei versucht Judith die Vergangenheit hinter sich zulassen und die Erinnerungen daran zu vergessen…
Lucy Fricke schreibt in Durst ist schlimmer als Wasser von einem Schicksal, das es leider viel zu häufig gibt. Sexueller Missbrauch, häusliche Gewalt, Drogen und Alkohol bestimmen Judiths Alltag. Die Behörden versagen, die Schule ist blind. Und als Judith endlich Hilfe bekommt, ist sie nicht mehr in der Lage sie wirklich anzunehmen, sondern versinkt immer Tief im Teufelskreis von Überforderung, Selbsthass und Selbstverletzung. Es ist ein hartes und schockierendes Thema, das die Autorin hier behandelt und zeigt, wofür wir Literatur brauchen: Um auf Missverständnisse hinzuweisen, um den Unerhörten eine Stimme zu geben.
Die Sprache ist dabei einfach behalten. Die Kapitel sind kurz, die Sätze meistens auch. Auf Schnörkeleien und Pathos verzichtet Lucy Fricke völlig. Dabei verschwimmen immer wieder Gegenwart und unterschiedliche Episoden aus der Vergangenheit, was das Lesen des Buches besonders zu Anfang nicht leicht macht. Zudem wird vieles wird nur angedeutet, der Leser muss bereit sein, auch zwischen den Zeilen zu lesen. Dennoch lässt sich das Buch leicht und zügig lesen.
Ich mag Bücher, die sich mit krassen Themen auseinandersetzen; ich mag den nüchternen, unaufgeregten Stil; ich habe nichts gegen offene Enden. Trotzdem war das Buch nicht meins: Ich konnte bis zum Schluss keine Beziehung zu Judith aufbauen. Ihr Schicksal ist ohne Fragen grausam, natürlich hatte ich Mitleid – aber sobald ich das Buch zugeklappt habe, war sie aus meinen Gedanken verschwunden. Zudem war die Handlung für mich quasi ein Einheitsbrei: Sich aufraffen – Struktur schaffen – einschneidendes Erlebnis – Drogen/Alkohol. Das ist natürlich realistisch, keine Frage, aber ich hatte das Gefühl am Ende nicht weiter gekommen zu sein als am Anfang. Das Ende war mir dann zu offen: Ich kann überhaupt nicht sagen, wie es mit Judith weitergeht, weil ich sie über die 170 Seiten nicht kennengelernt habe.
Ich kann verstehen, wenn den Leuten das Buch gefällt, weil es „technisch“ gut gemacht ist. Mich konnte es leider nicht erreichen.