Rezension zu "Maestro Amor" von Luigi Pirandello
Novellen von Verlorenen und vom sich verlieren
Ein sehr genauer Beobachter, der mit leichter Hand gerade auch die Härten des Lebens zu beschreiben versteht, der das Vordergründige mit zum Thema macht, so legt Pirandello die 10 im Buch gesammelten Novellen je an.
Wo sich Pellata und Currao am Bahnhof in Rom treffen, sich kaum wiedererkennen, Currao bereits wie jemand wirkt, aussieht, sich gibt, der „ganz untern“ angelangt ist. Der dies, ein feiner Hinweis Pirandelllos, noch nicht einmal selber überprüfen kann, weil der Spiegel von seinen Vermietern entsorgt wurde (säumige Mietzahlungen eben).
Und der Leser geht Priandello tatsächlich zunächst „auf den Leim“. Indem er die Perspektive Pelettas miteinnimmt, auf den alten Jugendfreund mit diesem gemeinsam herunterschaut. Bis deutlich wird, dass gerade dieser fehlende Spiegel auch dem als reich geltenden Peletta fehlen wird. Denn der Schein trügt und je weniger dieser Schein als Rolle überprüft werden kann, desto schneller mag es dann gehen, dass Peletta in nicht weit entfernter Zukunft ähnliche Blicke erhält, wie der am Leben gescheiterte Currao. Aber es bleibt beiden doch noch Hoffnung, oder?
„Was macht das Eisen im Feuer? Es verbiegt sich“.
Noch stärker und klarer ist dieses Motiv des „Herunterblickens“ und der dabei entstehenden, stark abwertenden „inneren Worte“ (und was das wahre Leben dann daran aufzeigt) bei jenem Zusammentreffen des Christoforo Golisch mit dem alten Bekannten und Freund Beniamino Lenzi- Opfer eines Schlaganfalls, der täglich ans ich arbeitet, sich der, in Golischs Augen, unsinnigen Hoffnung auf Besserung hingibt.
„Das Leben ist nur so viel wert, wie es Dir gibt, hab´ ich nicht recht? Ich würde keinen Augenblick darüber nachdenken, dann bringe ich mich um“?
Wirklich?
Aus den Verwicklungen des Lebens entsteht im Lauf dieser Geschichte einer der schönsten Szenen im Buch. Das Treten einer Drehbank in einem Innenhof setzt in humorvoller Weise und dem tiefen Stachel der Unsicherheit des Lebens ein Symbol für ein wertschätzendes Betrachten des anderen und ein sich nicht „selbst überheben“, denn das kann ziemlich leicht nach hinten losgehen.
Wobei man sich auch in dem, was man so Freundschaft nennt, täuschen kann. Sollte es stimmen, was Taíti von seinem Freund Della Torre am Ende denkt. Als beide nur Deutsch lernen mussten für eine Prüfung und Della Torre Taíti drängt, bestürmt, berät. Bis dieser, sich innerlich schüttelt, seine Deutschlehrerin in ganz anderer Form an sich bindet.
Aber hat er Recht, dass dies alles ein Plan von außen gewesen sein soll? Und da passt es, dass Pirandello die Antwort offenlässt. Sehr offen.
Wie die eigenen Fantasien die Welt beleuchten, wie man sich innerlich in Ansichten hereinarbeitet, wie wenig der Mensch zunächst bereit ist, diese Fantasien über das Leben und die anderen an der Realität prüfen zu lassen. Und wie dann die Realität die Protagonisten zwingt, sich dieser Realität doch zu stellen, sich eines Besseren teils belehren zu lassen, das trifft Pirandello häufig wunderbar. Wobei es dennoch an einigen Stellen irritiert, dass manche der Novellen wie auslaufend enden. Ohne griffige Erkenntnis, eher ein vages Gefühl zurücklassend. Dennoch immer mit sehr plastischen, lebendig getroffenen Protagonisten und treffenden Momenten, in welchen die reale Kleinheit des Denkens und die dennoch dahinter schlummernden Möglichkeiten zur Entwicklung und Weite vor Augen geführt werden.