Die Australierin Lydia Laube berichtet von ihrem Jahr in Saudi-Arabien. Ich war auf die Lektüre sehr gespannt, da ich mir einen Einblick in eine fremde Kultur erhoffte. Die Autorin überzeugte mich in dieser Hinsicht absolut, denn ihre Schilderungen von Saudi-Arabien sind wirklich interessant. Der Schreibstil entspricht einem lockeren, oft ironischen Erzählstil, wie man ihn in einem Tagebuch wiederfinden kann. Lydia Laube erzählt völlig umgangssprachlich von ihrem Jahr in Saudi-Arabien, für das sie sich freiwillig gemeldet hat. Ich muss zugeben, dass ich ihre freiwillige Bewerbung als blauäugig empfand. Ich selbst hätte mich niemals freiwillig nach Saudi-Arabien versetzen lassen. Das Buch ist im Original allerdings bereits gute 20 Jahre alt, wodurch sich vieles relativiert. Lydia Laube hatte gar nicht die Möglichkeit, sich nach heutigem Standard gemessen zu informieren. Gleich zu Beginn merkt man übrigens schon, wie gut der Erzählstil ist, denn sie berichtet von ihren Gründen folgendermaßen:
"Krankenschwestern für Saudi-Arabien gesucht." Wo könnte es wärmer sein als in Arabien, dachte ich. Es war Ende Juni und ich lebte in Sydney. Ich saß in meiner zugigen, alten Wohnung über eine unzureichende Heizung gebeugt, mit mehr Kleidung auf dem Leib als ein Eskimo und trotzdem kalt bis in die Knochen, und las den Sydney Morning Herald.
Ich hätte in keiner aufnahmefähigeren Stimmung sein können. (Seite 9)
Was die Autorin schreibt, regt eindeutig zum Nachdenken an. Es entsteht ein Bild der arabischen Kultur, die sich so völlig von der Westlichen unterscheidet, das nicht gerade positiv ist. Sie erzählt von ihrer Ankunft in dem fremden Land, wo sie direkt nach ihrem Ehemann gefragt wird. Das sie keinen hat, scheint die Menschen zu verstören. Sie berichtet darüber, dass sie immer verschleiert in die Öffentlichkeit musste und dass Frauen manchmal sogar weniger wert als eine Ziege waren und sie erzählt davon, dass sie die Stadt Medina nicht besuchen durfte, weil sie keine Gläubige war. Als Frau durfte sie auch nicht allein auf die Straße. Sie wurde eingesperrt in dem Krankenhausgebiet und war völlig abhängig von Männern. Und all gegenwärtig waren die Hitze, die leeren Versprechungen und die Gebete.
Ich war größtenteils schockiert. An vielen Stellen blieb mir förmlich der Mund offen stehen. Ungläubiges Kopfschütteln und amüsiertes Lachen wechselten sich bei mir in regelmäßigen Abständen ab. Ich kann eigentlich immer noch nicht glauben, dass in einem Krankenhaus mit 600 Betten praktisch alle Saudis unfähig sind und ihren Arbeitsplatz nur durch Beziehungen haben. (Leider habe ich selbst einmal einen Chef aus Sri Lanka gehabt und da ganz ähnliche Erfahrungen gemacht, so dass ich mich oft mit Lydia Laube identifizieren konnte.) Es ist mir genauso unverständlich, dass eine Frau für Ehebruch gesteinigt wird. Ehebruch hat eine Frau bereits begangen, wenn sie sich in einem geschlossenen Raum mit einem Mann befunden hat. Diese harte Bestrafung hat mich extrem getroffen und die Autorin berichtet absolut schonungslos darüber.
Obwohl die Autorin als Krankenschwester nach Saudi-Arabien gekommen ist, erfährt man wenig vom Krankenhausalltag. Es gibt kaum Situationen, die Krankheitsfälle beschreiben. Insgesamt dreht sich die Geschichte eher um den schlechten Zustand des Krankenhauses, die völlig andere Kultur des Landes und die Bemühungen der Autorin, das Leben dort besser zu gestalten. Vor allem zu Beginn des Buches ist es sehr ausführlich. Ich hätte mir diese Ausführlichkeit gerade zum Ende hin noch öfter gewünscht. So wird ein Jahr auf gut 220 Seiten erzählt und erschüttert dabei den Leser immer wieder.
Bewertung
Hinter dem Schleier ist beileibe kein Buch für zwischendurch. Es regt zum Nachdenken an und gibt einen spannenden Einblick in die islamische Kultur. Vor allem auf Grund des Einblicks war das Buch für mich sehr interessant und ich habe ein gutes Bild und vor allem die Lust auf weitere Bücher dieser Art gewonnen, um diese Eindrücke vertiefen zu können.