Wer sich für Anthroposophie, Waldorfschulen und die Christengemeinschaft interessiert, vielleicht auch als zukünftiger Anhänger, dem sei dieses Buch empfohlen: beide Autoren waren zunächst Studenten an einer renommierten Steiner-Hochschule, ließen sich zu Pädagogen der Steiner-Philosophie ausbilden, begannen aber ab den frühen 1990er Jahren an der Philosophie/Weltanschauung zu zweifeln. 2000 erschien das vorliegende Buch, dass sich besonders an Einsteiger wendet, um mit den vielzitierten Mythen aufzuräumen und um einen kritischen Blick auf alle Aspekte der Steiner-Philosophie zu ermöglichen.
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Behandelt werden die klassischen Problembereiche: die Philosophie im Allgemeinen, das Verständnis der Steiner-Pädagogik und seine Umsetzung in den Waldorf-Schulen und Kindergärten sowie die Naturheilkunde, Gartenbauphilosophie u.ä. Die Einführung in die Steiner'sche Philosophie gelingt gut, denn bei Walter Kugler musste ich ehrlicherweise mit dem Verstehen aufgeben; Steiner'sche Reinkarnationsphilosophie und Transzendenzphilosophie waren teilweise so sphärisch und abstrakt, dass man selbst als geübter Logiker nicht mehr hinterherkam. Das vorliegende Buch bringt jedoch dem interessierten Laien genau das bei, was er für den Umgang mit der Anthroposophie im 'normalen Leben' wissen muss. Daneben wird ein kritischer Umgang geschärft. Spätestens bei der Waldorfpädagogik wird es kurios und verlässt teilweise die Bahnen des Erträglichen: Zwar sind die Ansätze Steiners' nicht in allen Punkte verkehrt, wie er mit Kindern und pädagogischen Fragen umgehen will, deren Umsetzung gerät aber in vielerlei Hinsicht zu einem befremdlichen Prozedere, bei dem man ehrlicherweise sich fragen muss, ob das Kindern gut tut. Inwieweit allerdings Waldorfschulen und -kindergärten diese Philosophie 1 zu 1 umsetzen, weiß ich nicht. Von den Autoren kritisch gesehen wird auch die mitunter sehr schwierige Einfügung der Waldorfschüler in die 'reale Welt', insbesondere in eine leistungsorientierte Abiturstufe, wo noch die Abiturprüfung abzulegen ist, der Eintritt in eine Berufsausbildung oder das Absolvieren eines Studiums. Hat man in diesen Phasen noch keine Probleme, so kommen diese spätenstens in den meisten Fällen mit dem Eintritt in das eigentliche Berufsleben, das nun garnicht so harmonisch abläuft wie eine Erziehung an der Waldorfschule.
Weiter behandelt werden die Christengemeinschaft, die Naturphilosophie - in Verbindung mit dem Gartenbau -. Das Buch umfasst im Wesentlichen alle wichtigen Aspekte der Anthroposphie, mit denen man irgendwann einmal in dieser Gesellschaft in Kontakt kommt. Ansprechend geschrieben, aber ohne Ironie, flapsigen Erzählstil oder Vorverurteilungen. Insgesamt eine empfehlenswert-kritische Literatur.
Rezension zu "Achtung, Anthroposophie" von Lydie Baumann-Bay