Rezension zu "Job Future - Future Jobs" von Enrico Heinemann
„Es ist, als habe die Technik in uns allen exhibitionistische Neigungen entfesselt. Alle Tabus sind gefallen, nichts ist zu banal, jeder Moment muss beschrieben, jedes Gefühl mitgeteilt und jede Empfindung öffentlich seziert werden.“
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Das Internet, so stellt die Autorin Lynda Gratton treffend fest, ist schon längst zum „öffentlichen Beichtstuhl“ einer ganzen Generation geworden und neben vielfältigen Vorteilen, die uns die neue Technik eröffnet, entstehen gerade hier auch unzählige Schwierigkeiten, denen man sich stellen muss. Denn in erster Linie ist es die Technik, die unsere zukünftige Arbeits- und Lebenswelt nicht nur maßgeblich beeinflusst, sondern sie im Kern verändert. Wie extrem eine solche Veränderung sein kann, macht ein Rückblick in die Vergangenheit deutlich. Gezeigt wird ein noch nicht zersplitterter Arbeitstag im Jahre 1990 im direkten Vergleich zum Berufsalltag im Jahre 2025. Während im ersten Fall ein mehr oder weniger geregelter Tagesablauf deutlich wird, sieht sich der Arbeitnehmer im Jahr 2025 im Minutentakt immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. So ist es etwa völlige Normalität geworden, in gehobenerer Position einen persönlichen Avatar zu besitzen, der einen auf weltweiten Konferenzsitzungen würdig vertritt und mit digitalen Informationen gefüttert werden kann.
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Dies ist der Ausgangspunkt des Buches. Basierend auf den neuesten Erkenntnissen unserer heutigen Zeit wird ein Bild der Zukunft entworfen und dem Leser des Bandes als Konstruktion plastisch vor Augen geführt. Anhand konkreter Beispiele aus dem Berufs- und Alltagsleben ist es möglich, unterschiedliche Charaktere durch ihren Zukunftsalltag zu begleiten und einen Auszug aus ihrem Leben zu erfahren. Ein Beispiel wäre das Leben der 28-jährige Brina im Herzen der USA. Es zeigt, dass nicht mehr der geographische Ort der Geburt darüber entscheidet, einen gut bezahlten Job zu bekommen. Vielmehr entscheiden auf globaler Ebene nur noch die folgenden Elemente der Persönlichkeit über berufliches Glück: Ehrgeiz, Begabung und Tatendrang.
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Ein weiterer zu beobachtender Trend ist die enge Verbindung von Privatleben und Beruf. Vielfach arbeiten nicht nur IT-Experten in häuslichen Büros. Als Konsequenz folgt häufig eine Vereinsamung und Isolation des Individuums. Zusätzlichen Veränderungen der sozialen Umwelt und damit auch der Persönlichkeitsstruktur des Menschen sind anzunehmen. Auch hier werden beispielhafte Fälle eindrucksvoll zur Erläuterung dessen genutzt. Zunehmende technische Erneuerungen werden voraussichtlich zu einem Anstieg Statusängsten und Narzissmus führen und in unserer heutigen Zeit noch als normal wahrgenommene Formen von Familie und Freundeskreis werden verschwinden. Neue Familienstrukturen, die Unterschiedliche Rolle von Mann und Frau oder aber auch die Funktionen bisher anerkannter Institutionen werden in Hinblick auf die Zukunft ausführlich beschrieben. Insgesamt werden fünf Elemente genannt, die das Bild der Zukunft wesentlich bestimmen werden. Abschluss des Buches bilden Hinweise an verschiedene Personengruppen, die zur Reflexion bestens geeignet sind.
Informativ und hochinteressant beschreibt die Autorin all das, was uns in den kommenden Jahren in allen Dimensionen unseres Lebens erwarten wird. Lynda Gratton ist Professorin für Management Practice an der London Business School und wurde von der Times als eine der 20 Top Business Thinkers geehrt. Der Text fußt auf den Ergebnissen ihres Forschungsprojekts „Future of Work“.
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Fazit:
Licht- und Schattenseite der Zukunft werden auf eindrucksvolle Weise erfahrbar gemacht. Der Text passt hervorragend in die Hanser-Reihe Wissen-Wirtschaft-Weltgeschehen und überzeugt durch klare Schreibweise und eindrucksvolle Recherchearbeit. Sehr zu empfehlen!