In acht Geschichten unterschiedlicher Länge widmet sich Lysley Tenorio dem Leben junger und alter Philippinos, sowohl in den USA als auch in ihrem Heimatland und irgendwo dazwischen. So schreibt er unter anderem vom ersten und einzigen Besuchs der Beatles auf den Philippinen, von einem scharlatanen Geistheiler und zwei alten Freunden, deren langjähriges Zuhause vor dem Abriss steht.
Ein wenig erinnert mich Lysley Tenorios Erzählsammlung an Nathan Englanders Worüber wir reden, wenn wir über Anne Frank reden, nur dass es hier nicht um die im Osten Amerikas ansässige jüdische Mittelklasse geht, sondern um die Philippinen und philippinische Einwanderer, bevorzugt im Norden des US Bundeststaats Californien, genauer der Küstenstadt San Fransisco. Tenorio ist dabei ebenso wie Englander ein moderner Erzähler mit klassischem Stil. Seine Geschichten spielen zwar ab und zu in den weniger hospitablen Kreisen der Stadt, verlieren aber nie den Bezug zur Realität. Wer mit magischem Realismus und surealistischen Prämissen nichts anfangen kann, der ist also bei Tenorio und seiner Monstress genau richtig.
Denn die Geschichten dieser Sammlung sind nicht halb so monströs, wie der Titel zunächst vermuten lässt, auch wenn sie sich oft in menschliche Abgründe wagen, sind das Blut und die Gedärme, die den Figuren hier aus dem zuckenden Leib gezogen werden nur die Illusionen eines Scharlatans, die Monster nur Pappmachéfiguren eines philippinischen Filmemachers und doch nicht weniger faszinierend. Tenorio verlässt sich dabei ganz auf die Aussagekraft seiner Geschichten und verzichtet auf jeglichen experimentellen Schnick Schnack mit dem sich dieser Tage nur allzu viele junge Schriftsteller zu profilieren versuchen.
Meine Lieblingsgeschichte ist gleichzeitig die, welcher der Erzählband seinen Titel verdankt, Monstress. Diese erzählt von einer jungen Schauspielerin, die es mit der Darstellung verschiedener Monster auf den Philippinen zu bescheidenem Ruhm gebracht hat und nun samt Regisseur in die USA geht um dort ein Remake ihres berühmtesten Filmes zu drehen. Erwartet hatte ich zugegebenermaßen etwas völlig anderes, da ich mich kopfüber in dieses Buch stürzte, ohne genau zu wissen, was ich davon zu halten hatte. Enttäuscht wurde ich allerdings nicht, sondern verzaubert – insofern ist diese Geschichte Sinnbild für jede weitere der insgesamt acht, die sich zusammenfügen zu einer Sammlung, die ich an dieser Stelle jedem Leser ans Herz legen möchte.
Wer nach einer guten Geschichte sucht, der ist bei Lysley Tenorio an der richtigen Adresse. Sein erzählerisches Debüt Monstress legt wert auf fesselnde Handlungen und lebensechte Charaktere und bleibt dabei stilistisch ganz bescheiden.