Cover des Buches Grabgeflüster (ISBN: 9783520601018)
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Rezension zu Grabgeflüster von Máirtín Ó Cadhain

keine leichte Lektüre

von Tsubame vor 7 Jahren

Rezension

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Tsubamevor 7 Jahren

Es ist immer eine heikle Sache, einen Klassiker zu bewerten, und das Buch "Grabgeflüster" macht es einem wirklich nicht leicht.
Zunächst ist da die großartige Übersetzung von Gabriele Haefs, die sich sichtlich große Mühe gegeben hat, dem Gekeife und Gelästere der Friedhofsbewohner angemessene deutsche Schimpfwörter zuzuordnen. Ich bewundere ihr Können und ihre Ausdauer. Sie dürfte besonders erleichtert gewesen sein, als sie mit dem Buch durch war.
Dabei ist die Geschichte eigentlich recht simpel: Caitríona Pháidín, größtes Schandmaul ganz Irlands, so scheint es, wurde frisch in der Fünfzehn-Schilling-Abteilung beigesetzt. Hier trifft sie auf alte Bekannte und prompt geht das Gezänke wieder los.
Wer gerade spricht und wie die Beziehung der einzelnen zu einander zu Lebzeiten ausgesehen hat, erschließt sich einem als Leser erst mit der Zeit, denn zunächst ist man genauso orientierungslos wie die Toten, die alle durcheinanderplappern und -zetern.
Jeder will sich Gehör verschaffen, auch wenn er gar nichts Weltbewegendes zu berichten weiß. Am meisten beschäftigen viele die Umstände ihres Ablebens und da ging es wohl nicht immer mit rechten Dingen zu, wenn man ihnen denn Glauben schenken darf.
Zentrale Figur bleibt über weite Strecken Caitríona, deren größte Sorge es ist, dass sie ein Kreuz bekommt und die sich nichts sehnlicher wünscht, als dass es ihrer Schwester Neil auf Erden möglichst schlecht ergehen möge. Denn die beiden standen zu Lebzeiten in stetiger Rivalität.
Durch die Gespräche der Verstorbenen, die weiterhin fleißig durcheinander reden, erfährt man ein wenig über die Geschichte Irlands, dörfische Sitten und Gepflogenheiten und man wird Teil dieser Friedhofsgemeinde, von denen sich manch einer wohl einfach nur seine Ruhe wünscht. Aber eben diese bekommt er nicht, genauso wenig wie der Leser ...


Bei allem literarischen Wert, den das Buch für die Weltliteratur und vor allem für die Iren hat, so ist seine Lektüre doch extrem anstrengend. Wer sich hier unbeschwerten Lesegenuss erhofft, ist mit dem Roman schlecht bedient, denn die Hölle endet erst, wenn man das Buch zuklappt und bis dahin sind 434 Seiten zu bewältigen.
Ich hatte durchaus meine Freude daran, herauszufinden, wer gerade spricht und in welchem Verhältnis er zu den anderen steht, aber irgendwann wurde es mir dann doch zuviel ...
Ein irischer Klassiker also für Leute, die Herausforderungen nicht scheuen, in jedem Fall aber mal etwas ganz anderes
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