MARTIN WALSER

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Helmut und Sabine, ein Ehepaar im mittleren Alter, machen schon seit Jahren immer am gleichen Ort Urlaub. Dort treffen sie auf Klaus und Helene, die leben, als wären sie noch ganz jung. Während Helmut am liebsten inkognito bleiben würde, kann sich Klaus vor Begeisterung kaum halten und versucht den ehemaligen Schulkameraden mit Erinnerungen zu ködern. Helmut und Sabine lassen sich zu einem Segelausflug überreden, den sie sehr kontrovers erleben: Sie „saßen da wie ein Konditorenehepaar, das sich zur Feier der Goldenen Hochzeit zu einer viel zu sportlichen Bootsfahrt hatte einladen lassen.“

Martin Walser (*1927) hat in dieser 1978 verfassten Novelle sehr unterschiedliche Menschentypen aufs Korn genommen. Helmut ruht in sich, will am liebsten nur noch lesen und keinen Deut von seinen gewohnten Ritualen abweichen. Als Lehrer ist er genervt davon, immer den Schein wahren zu müssen, weshalb er sich zu Hause am liebsten nur noch gehen lassen würde. Klaus dagegen gibt sich agil und sportlich, ohne Probleme fängt er ein fliehendes Pferd ein. Helene ist seine zweite Frau, viele Jahre jünger als er. Von ihr fordert er ständig kleine Liebesbeweise ein.

Was sich anfangs so langweilig wie Helmuts Leben liest, entwickelt sich zu einer spannenden Geschichte, in der sich die Menschen öffnen und deutlich verändern. Auslöser ist ein Unfall auf dem Bodensee.

Eindrückliche Naturbeschreibung ergänzen die Charakterisierung der Protagonisten. Diese Novelle ist auch 44 Jahre nach Erscheinen ausgesprochen lesenswert. Das zeigt sich aber erst nach der Hälfte der Geschichte. Es lohnt sich also durchzuhalten!

Cover des Buches Ein fliehendes Pferd : Novelle. Suhrkamp-Taschenbuch 600 ; 3518371002 (ISBN: B0071RNF6G)
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Rezension zu "Ein fliehendes Pferd : Novelle. Suhrkamp-Taschenbuch 600 ; 3518371002" von MARTIN WALSER

Psychogramm zweier Ehepaare
KristinaTiemannvor 7 Jahren

Ein fliehendes Pferd

Klappentext: "Der Zufall führt zwei Ehepaare an einem Ferienort am Bodensee zusammen. Die Männer, Endvierziger, waren Schul- und Studienfreunde. Helmut Hahn, der behäbige Lehrer, erwartet nichts mehr vom Leben. Klaus Buch hingegen jagt von einer Tätigkeit zur nächsten, bestimmt auch bald das Programm gemeinsam zu verbringender Ferientage."

Na toll! Es passiert also genau das, was man sich im Urlaub gerade eben nicht wünscht, wenn man sich entspannen will: man trifft auf alte Bekannte und ohne dass man es irgendwie beeinflussen könnte, treten quasi automatisch alte Rollenmuster und Verstrickungen zutage, die man schon vergessen glaubte. Dabei wollte man doch gar nicht so tun, als wäre man immer noch derselbe von damals oder ein ganz toller Hecht geworden, man wollte sich einfach nur erholen und von eben diesen Verpflichtungen einfach mal Ruhe haben. Und dann das!

Genau so geht es Helmut Hahn. So schnell konnte er gar nicht gucken, wie er in der Zwickmühle sass. Und nun beginnt sie, erst schleichend als harmloses Mitmachen, obwohl er auf Buchs Freizeitgestaltung keine Lust hat, wächst sich dann zur gekonnten Verstellung aus, um zuletzt als komplette Selbstverleugnung zu enden. Aber jemanden darzustellen, der man nicht ist, ist ziemlich anstrengend. Es kann also nur in einem Fiasko enden, und das tut es!

Der Schreibstil ist vielleicht ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber das Ausarbeiten der Psychogramme ist gründlich. Ich finde die Novelle sehr nah dran am täglichen Wahnsinn.

Daumen hoch!

Cover des Buches Ein fliehendes Pferd : Novelle. Suhrkamp-Taschenbuch 600 ; 3518371002 (ISBN: B0071RNF6G)

Rezension zu "Ein fliehendes Pferd : Novelle. Suhrkamp-Taschenbuch 600 ; 3518371002" von MARTIN WALSER

Psychologisch hervorragend, aber gewöhnungsbedürftig...
Ein LovelyBooks-Nutzervor 8 Jahren

Diese berühmte Novelle bedeutete 1978 den literarischen Durchbruch für Walser, nun konnte er von der Schriftstellerei leben.
Im Mittelpunkt stehen zwei Ehepaare, deren zufälliges Zusammentreffen beim Bodensee-Urlaub und die aufdringliche Inbesitznahme der (notgedrungenen) gemeinsamen Freizeitgestaltung, die in eine Beinahe-Katastrophe mündet.

Martin Walsers Schreibstil wird stets von Kritik und Publikum gelobt und als einzigartig in Deutschland gerühmt. Seine Art zu Schreiben ist definitiv gewöhnungsbedürftig, soviel steht fest. Nach einer Weile kristallisieren sich viele hervorragend formulierte Abschnitte heraus, voller Wortgewandheit und Kraft. Manchmal wirkt sein Stil aber auch wieder dermaßen geschraubt, dass ein Schüler ganz klar eine Fünf bekäme, wenn er solche Sätze im Deutschaufsatz vom Stapel lassen würde. Aber in der Schule geht sowas eben nicht, später ist es Kunst...

Nein, im Großen und Ganzen ist Walsers Stil schon begnadet, wenn auch für viele Leser garantiert unlesbar. Der Plot ist sauber gearbeitet, mit einer 'ruhigen Dramatik' ausgestattet und psychologisch sehr gut und eindringlich beobachtet. Die vier Hauptcharaktere passen wunderbar in die Geschichte und besonders der Protagonist Helmut Halm wird von Walser extrem genau geschildert. Hier übertreibt Walser manchmal in den Dialogen seine kunstvolle Sprache ein wenig...klingt anspruchsvoll, aber so spricht ein normaler Mensch nicht mal ansatzweise. Formvollendet formuliert, aber vollkommen realitätsfern. Diese sprachliche Künstlichkeit verwässert (jedenfalls für mein Empfinden) ein wenig den komplexen Inhalt der Novelle, hier wäre etwas weniger durchaus mehr gewesen.

Ansonsten eine schöne Leseerfahrung und ein präziser literarischer Einblick in den kulturellen Kampf zwischen gelangweilten, vom Leben enttäuschten Bildungsbürgern und auf der anderen Seite von spontanen, sportlichen Freigeistern in den 70er Jahren.

Fazit: Sprachlich komplex, manchmal etwas sperrig formuliert, detailreich und psychologisch äußerst genau geschildert. Ein guter Plot mit interessanten Charakteren. Ein deutscher Klassiker.

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