Rezension zu "Atlas unserer spektakulären Körper" von Maddie Mortimer
Lia hatte schon mal Brustkrebs. Jetzt ist die Krankheit zurück. In der Lunge. Sie versucht es mit einer aggressiven Chemo. Denn Lia hat Grund zu leben. Sie ist nicht alt, sie hat einen tollen Ehemann und eine wundervolle Tochter. Einfach ein schönes Leben!
Der Roman begleitet Lia ins Krankenhaus, zur Chemo, sieht ihr bei der Arbeit zu. Der liebevolle Umgang mit Tochter und Ehemann ist wunderbar beschrieben.
Dazwischen gibt es immer wieder kurze Zwischenstücke. In denen spricht mal der Krebs, oder auch das Medikament und auch ihr eigener Körper.
So blieb mir als Leserin nichts anderes übrig, als dem Krebs dem Zerstörungsweg durch den Körper zu folgen. Als ob er einen eigenen Willen hat bahnt er sich einen Weg in sein Ziel: das Gehirn. Vor allem diese Zwischenstücke sind reine Poesie. Manchmal Text, manchmal Gedicht, manchmal auch Wortmalereien auf dem Papier. Hier gönnt sich die Autorin viele verschiedene Stilmittel.
Daneben gibt es auch Passagen aus der Sicht von ihrem Mann Harry, der Tochter Iris und der Mutter Anne. Vor allem die Passagen von Iris haben es mir angetan.
Und sie führt uns die Vergangenheit von Lia. Die Kindheit in einem Pfarrershaushalt. Die erste große Liebe, die sie fast zerstörte, die Jahre ohne Kontakt zu den Eltern, die Unsicherheiten, vor allem in der Beziehung zur Mutter.
Durch die Perspektivwechsel und vor allem die Zwischenstücke, bei denen die Sichtweise nicht immer klar war, ist das Buch nicht ganz einfach zu erfassen. Doch in der Gesamtheit ist es ein wunderbar poetisches Buch, dass den Leidensweg einer Krebskrankenunheimlich einfühlsam beschreibt. Da in unserer Familie natürlich auch Geschichten über diese Krankheit zu erzählen sind, ging mir das Buch sehr nahe. Ein- zweimal musste ich auch zum Taschentuch greifen. Obwohl die Autorin meiner Meinung nach nicht extra auf die Tränendrüse drückt. Das Buch ist niemals kitschig.
Im Nachwort beschreibt Mortimer, dass ihre Mutter an Krebs starb, als sie selbst noch ein Teenager war. Ich denke sie hat in diesem Buch sehr viel verarbeitet.
Für einen Debütroman ist dieses Buch unheimlich reif. Es ist durch die Einbettung der Kindheits- und Jugendgeschichte und dem Alltag von Iris und Harry unglaublich vielschichtig.