Als ich mit 10 Jahren zum ersten Mal Percy Jackson gelesen habe, wusste ich damals schon, dass ich ein Interesse für ein Thema entdeckt habe, das mich nicht so schnell wieder loslassen wird: Griechische Mythologie.
Umso mehr freut es mich immer mehr Romane zu sehen, die auf Geschichte der griechischen Mythologie basieren. Madeleine Millers Das Lied des Achill (2010) ist dabei schon ein echter Klassiker und 2018 erschien endlich ihr zweiter Roman Ich bin Circe. Die Figur der Circe kennen die meisten bestimmt aus Homers Odyssee als Zauberin, die auf einer Insel lebte und Männer in Schweine verwandelte. Heute würden wir dazu vielleicht sagen: Slay! Doch wie viele anderen weiblichen Figuren in der Griechischen Mythologie wird Circe zu einer sogenannten Femme Fatale. Einer Falle für Männer, die sie ins Verderben reitet. Eine Hexe. Eine Frau, der Mann nicht vertrauen durfte.
Die Autorin Madeleine Miller nahm sich der Figur Circe an und gab ihr endlich eine Stimme, mit der sie selbst bestimmt ihre Geschichte erzählt. Man lernt sie nun als Mädchen kennen, das sich nach Anerkennung, Geborgenheit und Liebe sehnt. Als Frau, die verstoßen wurde. Als Zauberin, die ihre Kräfte zu ihren Bedingungen zu nutzen lernt.
Ich fand es sehr spannend Circe auf so vielen Stationen ihres Lebens zu begleiten. Anfangs lernen wir den Palast und das Leben im Hofstaate ihres Vaters Helios kennen mit all ihren absurden Regeln und Bräuchen und dem kalten Krieg zwischen Göttern und Titanen. Gerade Interaktionen mit ihren Geschwistern Pasiphäe und Aietes boten tiefen Einblick darin, wie man Anerkennung innerhalb dieses göttlichen System gewinnt, auch wenn man sich dafür mit einem Stier paart und ein Ungeheuer gebärt. Vermeintlich oberflächliche Geschichten wie beispielsweise die Entstehung von Skylla bekommen durch Madeleine Miller mehrere Bedeutungsebenen und einen tieferen Sinn. Man merkt, dass die Autorin Altphilologie studiert und gelehrt hat. Denn sie kennt sich nicht nur mit den einzelnen Mythen aus, sondern sie versteht auch mit welchem Blick zu geschrieben wurden. Sie kennt verschiedene Versionen einer Geschichte und weiß, wie sie im Verlaufe der Zeit (meist zum Nachteil der Frauen) umgedeutet wurden. Madeleine Miller zeigt ein tiefes Verständnis für das System der Götterwelt und deren Interaktion mit Sterblichen.
Deshalb würde ich nicht sagen, dass Madeleine Miller Circes Geschichte feministisch umgedeutet hat, sondern dass Circe schon immer feministisch war, sie nur immer mit einem männlichen Blick erzählt und betrachtet wurde. Dieser Blick ändert sich nun in Ich bin Circe. Miller lässt ihre Protagonistin selbst erzählen. Dabei hat sich natürlich auch ihre Fehler. Die Dinge, die sie im Leben bereut.
Ich bin auf jeden Fall gespannt mehr von Madeleine Miller und diesem Themengebiet zu lesen. Für alle, die sich für feministische Lektüre und Griechische Mythologie interessieren, ist das Buch eine absolute Empfehlung!