Rezension zu "Nocebo: Wer's glaubt wird krank" von Magnus Heier
Zu viel Wissen macht krank
Dass „der Glaube Berge versetzt“, ist nicht nur ein biblischer Spruch für wahrhaft religiöse Menschen, sondern, in Grenzen natürlich, eine wissenschaftliche Tatsache der Medizin.
Die Wichtigkeit einer positiven und energiegeladenen Haltung einer eigenen Krankheit, auch schweren, gegenüber, ist seit Jahrzehnten bereits „Teil der Therapie“. Ebenso ist in vielfachen Experimenten anhand von „Placebos“ verdeutlicht worden, dass der feste Glaube an eine „heilende Kraft“ (hier in Pillenform) teils erstaunliche Ergebnisse hervorbringt.
Diese durchaus positiv-heilsam nutzbaren Effekte des „Glaubens“ haben allerdings auch ihre, weniger bekannten, Schattenseiten, denen sich Magnus Heier in seinem Buch ausführlich annimmt.
Der „Nocebo-Effekt“ ist jener, der im Menschen den Glauben erzeugt, „krank“ zu sein. Sei es durch zuviel eigene Recherche im Internet, durch zu genaues Lesen von Beipackzetteln oder durch zu konzentriertes Verfolgen von medizinischen Sendungen in den Medien, sei es durch falsche Ansprache behandelnder Ärzte oder Schwarzmalerei statt differenziertem Arzt-Patient Gespräch. Was da gehört wird kann, genauso wie (positiv) beim „Placebo“ nun negativ den Menschen zum festen Glauben bringen, an bestimmten Nebenwirkungen oder Krankheiten zu leiden (und tatsächlich dann auch Symptome zu entwickeln).
Das führt Heier schon an seinem ersten Fallbeispiel deutlich aus. Der Tod des Sam Shoeman, der fest davon überzeugt war, todkrank zu sein, der aber biologisch gesehen kerngesund war. Dennoch starb Shoeman „an seiner Überzeugung, sterben zu müssen“.
Natürlich wählt Heier hier ein drastisches Einzelbeispiel, beleuchtet damit aber gut seine überzeugend unterfütterte These von der „echten Krankheit durch Überzeugung“
Das er sich als Schulmediziner dann teils durchaus überheblich im Buch (mit teils auch ironischen Bemerkungen) gegen fast jede Form von „alternativer Medizin“ wendet („Voodoo im weißen Kittel“) und hier manches Mal nicht weiter differenziert, dies ist zwar ein deutlich zu benennender Kritikpunkt an seiner Darstellung, dennoch sollte man nicht daran vorbei lesen, dass in vielfachen Beispielen und verständlichen Erklärungen eine „Nocebo“ Gefahr (auch messbar) im Raum steht.
Und auch in seinen Schlussfolgerungen mag man Heier, je nach Geschmack trotz oder wegen seiner burschikosen und sehr bestimmenden Art, durchaus folgen.
Weniger Technik (und Magazine und Beipackzettel und Bilder und, und, und..) und mehr Worte im direkten Arzt-Patienten Kontakt. Und: „Placebo nutzen, Nocebo kennen“, um in Fällen von Symptomen oder Erkrankungen, zumindest ein stückweit, auch Abstand von sich selbst und seinen „Fantasien“ erlangen zu können. Und für die Arztseite gilt, sich genau Gedanken zu machen, was man als Material einem Patienten zur Lektüre anrät.
Im Ton und der Haltung sehr bestimmt und einseitig gelingt es Heier dennoch, informativ über den Effekt „krankmachenden Glaubens und Einbildung“ zu schreiben, auf Fallen hinzuweisen und konstruktive Wege aufzuzeigen. Die Zeit und Geld kosten mögen (auch den Arzt), aber unabdingbare Bausteine für eine gute und effektive Behandlung sind.