Mahi Binebine begleitet eine Gruppe Jugendlicher aus einem Slum in Casablanca auf ihrem Weg zu einem Selbstmordattentat. Ein solches fand 2003 tatsächlich statt, als sich Jugendliche in und um einem Hotel in die Luft sprengten und über 40 Menschen starben.
Das Buch hat einen erstaunlichen Sog, der Leser folgt gebannt den Weg der Figuren in den Tod, der von der ersten Seite an feststeht.
Und das ist der einzige Einwand, das ich gegen diese wunderbare Buch habe. Die Erzählperspektive. Erzählt wird aus dem Jenseits. Mahi Binebine erzählt aus der Perspektive des Jugendlichen Jaschin...der Spitzname nach dem Torwart... In den Beschreibungen des Alltags im Slum trifft der Ton des Erzählers sehr gut. Doch sobald der Junge in die Fänge der Islamisten gerät, merkt man halt doch den viel älteren Erzähler Binebine. Da wird mehr reflektiert als man dem jugendlichem Erzähler zutraut. Klar, jetzt ist er im "Zwischenreich" und klüger, aber da holpert das Erzählprinzip leider doch.
Trotzdem: LESEN!
Lebenslauf von Mahi Binebine
Alle Bücher von Mahi Binebine
Kannibalen
Die Engel von Sidi Moumen
Der Himmel gibt, der Himmel nimmt
Der Hofnarr
Willkommen im Paradies
Rue du Pardon
Der Schlaf der Sklavin
Welcome to Paradise
Neue Rezensionen zu Mahi Binebine
Rezension zu "Die Engel von Sidi Moumen" von Mahi Binebine
2003 explodierten in Casablanca die "Paradiesgürtel" von vierzehn marokkanischen Jugendlichen. Das Land stand unter Schock "denn wir dachten wir seien gegen den Terrorismus gefeit, aber mitnichten! Die Explosion fand bei uns statt, und die Täter sind von hier" erinnert sich Mahi Binebine 2011 in einem Interview.
Die Selbstmordattentäter stammten alle aus einem Elendsviertel am Rande der Stadt: Sidi Moumen - Inbegriff für Armut und ein Leben am Existenzminimum. Binebine sprach während seiner Recherchen mit Angehörigen und Freunden, sondierte alles, was über die Anschläge veröffentlicht wurde und besucht mehrmals Sidi Moumen. Dabei entstand ein Roman, der nicht nur eine ganz andere Seite von Marokko zeigt (die auch dem Autor nicht bekannt war) sondern auch beim Leser ein Gefühl von Wut, Sprachlosigkeit und Entsetzen hinterlässt.
Jaschin ist einer dieser vierzehn Jugendlichen. Aus seiner Sicht werden die Ereignisse erzählt - jedoch ist Jaschin bereits tot. Er, sein großer Bruder und die Freunde aus seiner Fußballmannschaft haben einen harten Alltag, der teilweise aus Gewalt, Hunger, dem Durchwühlen der unendlichen Müllberge und Stehlen besteht. Glückliche Stunden verbringt er nur auf dem Fußballfeld oder zusammen mit Ghislan, seiner großen Liebe. Doch auch wenn es Momente gibt, in denen er diesem Elend entfliehen kann, so ist er sich doch bewusst, dass er das Bidonville nie verlassen wird. Kein Zufall, dass plötzlich der streng religiöse Abu Subair auftaucht und Jaschin und seinen Freunde hilft, wo er nur kann. Mit Geschichten und Erzählungen über das Paradies macht er sie neugierig und letztendlich auch gefügig. So geraten die Jungen in einen Teufelskreis, aus dem es kein Entfliehen gibt und dessen schreckliche Konsequenz nur der Tod ist.
Wie oft fragen wir uns, wie kann man sein eigenes Leben und das anderer einfach so auslöschen? Dieses Buch soll keineswegs eine Art Rechtfertigung sein aber es gibt Antworten auf Fragen und zeigt auf, dass die Täter selbst auch Opfer sein können.