Die Liebe zu den Kräutern

Die Liebe zu Kräutern, zum Garten oder der Natur als Ganzes schlummert tief verwurzelt in uns. Wir erfreuen uns am Grün, und sei der Ausblick darauf noch so klein. Er tut uns gut, egal ob man nun einen Garten hat oder eine Zimmerpflanze. Man hat sogar festgestellt, dass erkrankte Menschen mit Ausblick ins Grüne eines Parks schneller genesen als jene, deren Blick nur eine Hauswand streifen kann. Ich lade also herzlich dazu ein, den Blick auf diese grüne Welt zu lenken, vor allem auf den bunten und faszinierenden Kräuterreichtum, der mein persönliches und berufliches Steckenpferd darstellt.
In meinen Kräuter-Seminaren im Naturkräutergarten erfahre ich, wie der Mensch aufatmet inmitten der wilden Kräuterwelten. Obwohl sich mein Garten auf den ersten Blick einer geordneten Beetstruktur mit Blütenrausch oder Gemüsezeilen entzieht, erkennt die Seele sofort die Natürlichkeit der Kräutervielfalt. Hier folgen wir der Natur und können beobachten und lauschen, was sie uns zu erzählen hat. So wird unsere schlummernde Liebe zu den Kräutern geweckt und angeregt. Ich selbst bin immer wieder begeistert, was im Garten passiert, was sich jedes Jahr ändert, welche Pflanzen sich mögen, vermehren oder vergehen, und lese gerne, was andere erfahren haben.
Befand sich ehedem das Kräuterwissen noch in einem lebendigen, täglich praktizierten und erfahrbaren, magischen und göttlichen Vertrauenskontext, müssen wir uns heute mühsam aller Zweifel entledigen und uns einen neuen Zugang erarbeiten. Das ist zumindest der Eindruck, den mir meine Seminare immer wieder vermitteln. In den Begegnungen mit interessierten Menschen fällt mir immer wieder auf, wie wenig vertraut uns die wilde Pflanzenwelt ist – aber auch, wie sehr sie uns fasziniert.
Heute fehlt uns häufig der natürliche Bezug zu allem, was die Erde seit Jahrmillionen hervorbringt. Wir haben aus Unwissen manchmal auch einfach Angst vor Löwenzahn und Co. Oft werde ich in Seminaren gefragt, ob denn nicht der Saft in den Stängeln giftig sei. Auch die Blüten der Kräuter kulinarisch zu verwenden, erstaunt viele Teilnehmer. Wenn wir dann gemeinsam das frische Kraut oder die Blüten probieren, sind viele Fragen, Rätsel oder Zweifel gelöst. Der eigene Gaumen überzeugt noch schneller als die schönsten Geschichten.
Der Schritt vom Wildkraut zum Küchenkraut oder gar zum Gourmethit ist oft ganz kurz. Ein Gang in einen orientalischen Laden um die Ecke lässt uns oft fündig werden. Dort wird zum Beispiel kultivierter Riesenlöwenzahn als Salat angeboten. In Frankreich isst man ihn genauso gerne wie die traditionelle Sauerampfersuppe. Milchsauer eingelegt in Gläsern, steht der Sauerampfer dort ganz selbstverständlich im Regal neben Sauerkraut. In Sternerestaurants findet man frittierten Spitzwegerich oder Süßdoldenparfait, vom Wildkräutersalat ganz zu schweigen. Ehedem noch alltägliche Nahrung, gestern vergessen, verteufelt oder verpönt, heute zum „must-have“ avanciert – die Wildpflanzen sind ein spannendes Terrain, dessen Entdeckung wir uns getrost wieder zuwenden können.
Und ihre Verwendung in Küche und Heilpraxis hat eine lange Tradition. Blicken wir gemeinsam zurück und staunen wir über die Kräutergeschichte und –geschichten.