Als Kind eines Gastarbeiters ist für mich Migration ein zentrales Lebensthema, dass nicht nach einer Generation abgehakt ist. Die Frage, wo Heimat ist und inwieweit uns unsere Identität durch unsere Wurzeln. Bestimmt kann man nämlich von sehr vielen Perspektiven betrachten. Dabei muss man noch nicht mal in ein anderes Land ziehen.
Drei Generationen, drei unterschiedliche Perspektiven auf die eigene Identität. Großvater Leonardo stammt aus Barletta, einer Stadt am Meer in Apulien. Hier ist er geboren und aufgewachsen, doch das Wirtschaftswunder Italiens hat den ehemaligen Pfirsich- und Olivenbauern mit seinen Söhnen und seiner Frau nach Mailand verschlagen. Riccardo, sein Sohn, ist im Norden Italiens angekommen und fühlt sich dort zu Hause. Doch seine Vergangenheit begann ebenfalls in der süditalienischen Provinz und obwohl er behauptet, damit nicht mehr viel zu tun zu haben, merkt man im Laufe der Geschichte, wie sehr Ihn diese Gegend doch sozialisiert hat. Als letztes haben wir Nicola im Bunde. Der Enkel ist in Mailand geboren und aufgewachsen und kennt die Hafenstadt nur aus den Ferien einer vergangenen Kindheit
Leonardos Wohnung, die immer noch existiert, soll verkauft werden, denn sie ist dem Verfall preisgegeben. Die 3 reisen, zusammen in den Süden und erleben diesen Trip auf unterschiedliche Art und Weise. Leonardo verfällt in seinen Dialekt, und geht davon aus, dass noch vieles ist wie früher. Er merkt schnell, dass ihm einige Ankerpunkte fehlen. Ricardo ist an einer schnellen Abwicklung der Angelegenheit interessiert. Nicola, der zur Zeit arbeitslos ist und darüber immer wieder in Konflikt mit seinem Vater gerät, träumt sich in seine Kindheit und befindet sich in einem Zustand zwischen Melancholie und Langeweile.
Die Suche nach Heimat ist nicht leicht, wenn sich diese verändert. Der Verfall der Wohnung ist ein Symbol für die ganze Situation. Leonardo sieht sich damit konfrontiert, dass Menschen die ihm nah waren, nicht mehr da sind, Geschäfte geschlossen wurden und Straßenzüge sich verändern. Das lässt auch ihn sich fremd fühlen, während Nicola durch die Erinnerung dieser Stadt, in der er nie wirklich gelebt hat, immer näher kommt. Etwas loszulassen, dass zu einem gehört ist sehr schwer, das weiß ich auch aus meinem eigenen privaten Umfeld. Wenn man die Beziehungen nicht jährlich pflegt, entfremden sich die Menschen dort sehr und bleiben einem doch auf eine besondere Art vertraut, die vielleicht gar nicht mehr existent ist.
Dass auf der Reise in den Süden auch die Beziehungen der drei Männer untereinander eine große Rolle spielen, ist ein Thema, welches gut eingeflochten wurde. Balzano hat eine ruhige, fast poetische Erzählweise, mit der er Bindungen und Konflikte offen legt. Das verleiht dem Roman eine gewisse Tiefe, auch wenn er auf den ersten Blick oberflächlich erscheint
Mir hat das unglaublich gut gefallen.
Da ich einen direkten Bezug zu meinem Leben und meiner Familie sowie meiner eigenen Vergangenheit sehe, ist mir dieser kleine Generationenroman sehr nah gekommen. Und außerdem hat es meinen Wunsch bestärkt diese Region Italiens doch mal zu bereisen.
Eine große Empfehlung an alle, die die kleinen feinen Texte suchen, die vielleicht nicht den großen literarischen Anspruch haben, aber wie eine Perle in einer Muschel entdeckt werden möchten.







