Cover des Buches Die Aprilhexe (ISBN: 9783442724727)
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Rezension zu Die Aprilhexe von Majgull Axelsson

Rezension: Die Aprilhexe von Majgull Axelsson

von Lumi vor 9 Jahren

Rezension

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Lumivor 9 Jahren
Im Zentrum von Majgull Axelssons Roman "Die Aprilhexe" steht Desirée, die den Großteil ihres Lebens in verschiedenen Pflegeeinrichtungen verbracht hat. Sie kam schwerbehindert zur Welt: Spasmen und epileptische Anfälle begleiteten sie seit ihrer Geburt, das Reden fiel ihr von Anfang an schwer. Von den Ärzten wurde sie bald abgeschrieben und von ihrer Mutter Ellen gleich nach der Geburt zurückgelassen - denn so verfuhr man im Nachkriegsschweden mit behinderten Kindern.

Dabei ist Desirée keineswegs geistig zurückgeblieben, ihr Verstand ist messerscharf. Außerdem verfügt sie über besondere Fähigkeiten: Sie ist eine Aprilhexe, ihr Geist kann den Körper verlassen und auf andere Lebewesen übergehen. Desirée erhält somit die Möglichkeit, die Welt aus anderen Augen zu sehen und nutzt diese auch rege.

Durch einen ihrer Ärzte - Hubertsson, zu der sie ein besonderes Verhältnis hat - erfährt sie davon, dass ihre Mutter drei Pflegetöchter großgezogen hat. In der Überzeugung, eine dieser Töchter habe ihr das Leben gestohlen, welches für sie gedacht gewesen war, nutzt sie ihre besonderen Fähigkeiten und beginnt im Leben der drei Frauen nachzuforschen.

Da ist Christina, die Ärztin, in derem Leben alles in bester Ordnung zu sein scheint. Außerdem Margareta, die Physikerin mit ziemlich offensichtlicher Bindungsangst. Und zu guter Letzt Birgitta, die einstige Schönheit, die in einem Strudel aus Alkohol und Drogen zu versinken droht.

Keine der drei Frauen weiß von Desirées Existenz und keine ahnt, wie aktiv diese in ihr Leben eingreift. Familiengeheimnisse werden gelüftet und alte, lange verdrängte Traumata wieder an die Oberfläche gebracht. Doch wird es Desirée so wirklich gelingen, herauszufinden, welche ihrer Schwestern ihr Leben gestohlen hat?

Majgull Axelsson ist mit "Die Aprilhexe" ein wirklich bemerkenswerter und außergewöhnlicher Roman gelungen, welcher sicher nicht zu Unrecht den Augustpris, Schwedens wichtigsten Literaturpreis gewann.

Der Roman behandelt mehrere ganz unterschiedliche Frauenschicksale. Keine von ihnen hatte es leicht in ihrer Kindheit und alle haben sie ein Leben lang schwer an ihren Geschichten zu tragen. Bei einigen der Schicksale schwingt auch eine deutliche Gesellschaftskritik mit: Obwohl weite Teile der Handlung zur Blütezeit des schwedischen Wohlfahrtsstaates spielen, scheint bei den Protagonisten nicht viel von diesem vermeintlichen Wohlstand für alle angekommen zu sein. Insbesondere kritisiert wird dabei der Umgang mit körperlichen und geistigen Behinderungen in jener Zeit.

"Die Aprilhexe" ist keine leichte Kost, aber mir hat die Lektüre viel gegeben. Wer einmal ein Buch über Frauenschicksale abseits jeglichen Kitsches lesen möchte, der ist hier genau an der richtigen Adresse.
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