Rezension zu Ernste Männer von Manu Joseph
Rezension zu "Ernste Männer" von Manu Joseph
von Ein LovelyBooks-Nutzer
Rezension
✗
Ein LovelyBooks-Nutzervor 14 Jahren
“Ernste Männer” von Manu Joseph ist ein seltsames Buch. Ich habe es sehr gerne gelesen, doch wenn ich eine längere Pause machte, vermisste ich das Buch nicht. Es ist sehr gut und flüssig geschrieben, man kann der Geschichte leicht folgen, das Erzählte ist interessant – aber nach der Lektüre bleibt nichts zurück. So ein Gefühl überkommt mich eher selten. Denn entweder packt mich ein Buch so richtig oder ich lasse es sein. “Ernste Männer” habe ich zu Ende gelesen, die letzten 50 Seiten sogar verschlungen. Sobald ich aber das Buch zuklappte, konnte ich mühelos und ohne geistige Verschnaufpause in ein anderes eintauchen. Das Institut für Theorie und Forschung in Mumbai (Bombay) ist Schauplatz des Geschehens. Hier wird der Astrologe Arvind Acharyh, ein Angehöriger der Brahmanen-Kaste, gefeiert, weil er außerirdisches Leben entdeckt haben will. Leider stellt sich heraus, dass seine Ex-Geliebte aus Rache möglicherweise die Forschungsergebnisse manipulierte. Acharyhs Sektretär Ayyan Mani, Angehöriger der Dalit-Kaste und damit ein “Unberührbarer”, verfolgt währenddessen seine eigenen Träume und versucht diese auf jede nur erdenkliche Weise zu erfüllen. So bezahlt er Zeitungen, damit diese gefälschte Artikel über seinen 11-jährigen Sohn, das “Wunderkind”, drucken, und genießt dank seiner Manipulationen großes Ansehen. Denn Mani möchte seinem Sohn eine bessere Zukunft ermöglichen und präsentiert ihn der Welt deshalb als Genie. Er erpresst Acharyh und andere Vorgesetzte, um sein Ziel Wirklichkeit werden zu lassen. Und auch wenn er regelmäßig befürchten muss, zu weit gegangen zu sein, versuchter seine Spielchen trotzdem immer wieder aufs Neue. “Unser Leben, mein Freund, ist vorbei. Es geht um unsere Kinder. Ihnen zuliebe müssen wir hier raus.” “Ernste Männer” behandelt eine Reihe universeller Themen der Menschheit: Liebe, Verrat, grausame Rache der Geschmähten. Deswegen fehlen dem Buch auch nicht die Frauen, wie der Titel zunächst vermuten lässt. Auch sie wissen sich zu helfen, selbst wenn es zu Anfang scheint, als wären sie nur von ihren Männern abhängig. Der gebürtige Inder und Journalist Joseph greift in seinem Buch außerdem die sozialen Missstände Indiens auf: die soziale Kluft zwischen dem Leben der Brahmanen und dem der Dalit, den Konflikt der Kasten um Macht. Auf der einen Seite kämpft sich ein Unberührbarer mit allen Mitteln nach oben, verfolgt nur die Interessen seiner eigenen Familie. Auf der anderen Seite forscht ein Nachfahre der geistigen Elite Indiens mit Heißluftballons nach Außerirdischen und wirft dabei sämtliche Ideale seiner Kaste über Bord. Mittendrin kämpfen die Menschen ums Überleben, ringen mit dem Hungertod, werden bei lebendigem Leib verbrannt. Die Frage nach Gerechtigkeit in solch einer Welt versucht Joseph mit seinem Antihelden Mani zu beantworten. Das gelingt ihm mit einer Sprache und Ideen, die einen amüsieren und während des Lesens laut auflachen lassen. “Ernste Männer” ist eine Gesellschaftskritik der indischen Welt, die dank ihrer grotesk überzeichneten Figuren als Satire gelesen werden will.