Viel zu lange hatte ich dieses wundervolle Buch bei mir im Regal stehen. Es sah halt so unschuldig aus. Ist es aber nicht. Nach und nach lernen wir beim Lesen die sechzehn Schüler einer Klasse kennen. Jeder bekommt sein eigenes Kapitel und am Ende, wenn man schon denkt, dass nichts Schlimmes mehr passieren wird, erlebt man eine extrem böse Überraschung. Mir hat es unglaublich gut gefallen.
Während die sechzehn Schüler ihre Abschlussprüfung schreiben, schweifen ihre Gedanken ab. Es wird nachgedacht über die Prüfung, über die Klasse, ihre Vergangenheit und ihre Zukunft. Auf diese Weise lernt man langsam die gesamte Klasse kennen und wie alle zueinanderstehen, aber man kommt die Schüler auch unglaublich nah. Man bekommt tiefe Einblicke in ihrem Privatleben und wird mit dem konfrontiert, womit auch diese Jugendlichen kämpfen. Es gibt Ängste, Selbstzweifel, tiefe Traumata, die verarbeitet werden müssen, gebrochene Herzen, aber auch die erste Liebe, Wünsche und starke Freundschaften. Manchmal erscheint jemand eher unsympathisch, weil man sie durch die Augen eines bestimmten Schülers kennenlernt, wenn man dann aber die Person an sich durch seine eigenen Gedanken kennenlernt, merkt man, dass Vieles nicht so ist, wie auf dem ersten Blick erscheint.
Die Schriftstellerin lässt nichts aus. Genauso wie in der Realität, ist es in dieser fiktiven Klasse auch: alle haben ihr Päckchen zu tragen. Es gibt Verluste, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen, unzufriedene oder sogar total toxische Eltern, Traumata, die verarbeitet werden müssen oder einfach das Gefühl nicht zu wissen, wo man hingehört und was man mit seiner Zukunft anfangen möchte. Auch die Klassenlehrerin lernt man besser kennen. Man merkt, dass auch sie es nicht einfach hat, sowohl privat als mit dem schulischen Alltag. Ich mochte sie sehr. Sie ist unglaublich sympathisch und man merkt, dass sie sich für ihre Schüler einsetzt. Nicht einfach, weil sie ihre Lehrerin ist, aber sie wirklich an ihnen glaubt und möchte, dass sie erfolgreich im Leben werden.
Die Art und Weise, wie das Buch geschrieben worden ist, gefällt mir sehr gut. Es fängt alles mit der Abschlussprüfung an, die vier Stunden dauert. Innerhalb dieser Zeit gibt’s jedes Mal einzelne Kapitel, in denen es jedes Mal um einen bestimmten Schüler oder einer bestimmten Schülerin geht. Dazwischen läuft einen Countdown. Da lesen wir dann in der Kapitelüberschrift, wie viel Zeit den Schülern noch bleibt und in diesen Kapiteln erfahren wir die Gedanken der Klassenlehrerin Frau Sund.
Da man die Schüler nach und nach kennenlernt und sich in dieser Prüfungsumgebung befindet, wirkt das Buch ruhig. Ich habe mich gefreut, die vielen einzigartigen Geschichten lesen und so die Tiefe der einzelnen Personen erfahren zu können. Als ich schon dachte, es sei fast zu Ende, jetzt kommen nur noch die Letzten dran, dann ist die Prüfung vorbei und damit auch das Buch, wurde ich aber böse Überrascht. Zu viel möchte ich nicht verraten, dafür müsst ihr das Buch schon selbst lesen, aber für mich hat es sich auf jeden Fall angefühlt, als ob mir den Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Ab diesen Augenblick wurde alles anders und ich hatte so viel Angst. Es waren nur noch wenige Seiten bis zum Ende, aber es war heftig. Dies aber zeigt auch die Stärke des Buches. Einerseits lernt man ganz ruhig und intensiv die Klasse kennen, um dann am Ende komplett aus dieser typischen Prüfungsstimmung herausgerissen zu werden und vor Erschrecken fast zu sterben.
Insgesamt eine sehr starke Geschichte, die verschiedenen schweren Themen, die aber viel Menschen betrifft, nicht aus dem Weg geht, sondern offen und auf eine sehr persönliche Art und Weise schildert. Mir hat es sehr gut gefallen, diese Klasse kennenzulernen und ich werde sie schon ein wenig vermissen. Das Ende war absolut genial, aber sehr erschreckend. Auf jeden Fall ein Buch, das ich gerne weiterempfehlen möchte.