Cover des Buches Die Löffel-Liste (ISBN: 9783735756619)
Rezension zu Die Löffel-Liste von Manu Wirtz

13 bunte Lebensträume

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 9 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 9 Jahren

Jeder hat seine eigenen Vorstellungen und Wünsche von dem, was das Leben für ihn bereithalten soll, doch vergessen wir nicht alle dann und wann unsere Träume und verlieren uns im Alltäglichen? Unerfüllte Freuden erinnern den einen oder anderen vielleicht an „Das Beste kommt zum Schluss“, den grandiosen Kinofilm mit Starbesetzung, welcher feinfühlig die letzten Wünsche zweier zum Sterben Verurteilter thematisiert.

„Mein Philosophie- Professor stellte uns im ersten Semester eine Aufgabe. Er nannte sie die „Löffelliste“. Wir sollten eine Liste von allem schreiben, was wir in unserem Leben tun wollten, bevor . . .“ „. . . Bevor wir den Löffel abgeben.“ (Das Beste kommt zum Schluss)

Ebendieser Film war es, der Manuela Wirtz dazu inspirierte, eine Sammlung von Kurzgeschichten herauszugeben, die sich mit den kleinen und großen Wünschen des Lebens befassen. Ob verpasste Chancen, lang verborgen gebliebene, eigene Hoffnungen oder gar erdachte Vorstellungen davon, wovon jemand anderes zu einer anderen Zeit geträumt haben mag, jede einzelne der 13 nunmehr veröffentlichten Geschichten folgt ihrem ganz eigenen Erzählmuster und beleuchtet das Mysterium „Lebensglück“ aus einer anderen Perspektive.

Optisch weiß das Buch zu überzeugen: Ganz im Stile einer echten Liste wurden die veröffentlichten Titel in der Reihenfolge ihres Abdrucks handschriftlich auf einem karierten Bogen Papier festgehalten und für die Umschlaggestaltung verwendet- passend dazu, quasi als Bonbon obendrauf, gibt es ein kleines Lesezeichen mit den Kerninformationen zu der Sammlung. Eine schöne Idee!

Gleichsam positiv aufgenommen habe ich die im Anschluss an die Kurzgeschichten angebrachten Autorenportraits mit Anmerkungen zu weiteren Veröffentlichungen.

Im Zentrum stehen jedoch die Geschichten selbst, welche trotz des ihnen gemein seienden Ansatzes nicht unterschiedlicher hätten sein können- und genau das ist es, was mir die Bewertung der Anthologie erschwert.

In einigen Geschichten habe ich großes Potenzial gesehen, sprachlich und / oder inhaltlich, empfand dieses aber als nicht hinreichend ausgeschöpft. Sei es, weil die Geschichte aus meiner Sicht noch einige Seiten mehr benötigt hätte, um sich vollends zu entfalten, sei es, dass mir (insbesondere bei erdachten Erlebnissen, wie ich glaube) das letzte Körnchen Emotionalität fehlte, um mich richtig in die Charaktere hineinfühlen zu können oder ich mir bis zum Schluss nicht sicher war, welche Erfahrung der Autor mit uns zu teilen wünschte. Ein, zwei Geschichten bereiteten mir leider Schwierigkeiten, sind aber Geschmackssache; andere mochten gerade diese Geschichten ob ihrer sprachlichen Finessen oder der aufgegriffenen Thematik.

Eine für mich erfreulich starke Gruppe bildeten aber auch die Geschichten, die mich berühren konnten. An dieser Stelle möchte ich einhaken und drei der für mich herausragenden Geschichten exemplarisch würdigen:

„I want to be a part of it“ von Pamela Menzel schildert gekonnt aus der Ich-Perspektive das Verlangen der Hauptfigur, ein Mal New York zu sehen. Ihr Hindernis, das ist ihre unerklärliche Angst, die Angst vor dem Fliegen. „Immer wieder stellte ich mir meine Reisen zusammen. Immer wieder verschloss ich anschließend alles fein säuberlich in einem Karton und schob ihn unglücklich für die nächsten Wochen und Monate aus meiner Sichtweite. Um zu dir zu kommen, musste ich das Fliegen lernen.“

„Die Straße der Tränen“ von Manuela Wirtz hingegen beschreibt einen Traum, der nur auf dem Papier noch lebbar ist, nämlich die Teilnahme an der „Camel Trophy“, einer in Südamerika stattfindenden Autorallye, die 1999 eingestellt wurde. „Mit 24 Jahren war ich sehr abenteuerlustig und bewarb mich einfach für eine der nächsten Trophys, ohne ernsthaft dran zu glauben, in die engere Auswahl zu kommen. […] Mich trieb die Sehnsucht, etwas völlig Verrücktes zu tun, einmal aus der Normalität auszubrechen.“ Was hätte sie empfunden, wäre sie jemals dabei gewesen? Dieser Frage geht Manuela Wirtz nach und durchlebt, gemeinsam mit dem Leser, eine emotionale Berg- und Talfahrt.

Mit Carsten Kochs „Löffel in gute Hände abzugeben“ hatte ich, zugegeben, über die ersten Zeilen meine Differenzen, doch schnell packte mich die humorvolle Erzählweise und ich begleitete eine Autofahrt ins anfänglich Ungewisse, die gleichsam eine Reflektion des Lebens war. „Mein Leben ist unerfüllt, besteht aus ewigen Träumen. Ungreifbare Träume, keine fassbaren Dinge, die es zu verwirklichen gäbe. […]Ich habe einfach alles. Außer das Gefühl, glücklich zu sein.“ Mir einer ordentlichen Prise Humor samt überraschender Wende weiß Koch dem Leser einige vergnügte, aber auch nachdenkliche Leseminuten zu bescheren.

Insgesamt lebt die Anthologie von einigen guten bis sehr guten Kurzgeschichten, die sich aus meiner Sicht insbesondere in der letzteren Hälfte der Sammlung anfinden. Für jeden Lesegeschmack ist eine Geschichte darunter, obgleich dies dazu führt, dass nur die wenigsten an jedem einzelnen der Beiträge Gefallen finden wird. Viel wichtiger aber ist für mich, dass es „Die Löffel- Liste“ vermag, den Leser nachhaltig über seine eigenen Träume und Wünsche nachdenken zu lassen. „Haben Sie eine Löffel- Liste?“

Ich bedanke mich bei Manuela Wirtz für das Bereitstellen des Leseexemplars sowie bei sämtlichen Autorinnen und Autoren für die angeregte Diskussion im Rahmen der Leserunde.

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