Manuel Chaves Nogales

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Lebenslauf

Manuel Chaves Nogales (1897, Sevilla) war eine der renomiertesten journalistischen Stimmen Spaniens. Aufgrund seiner liberalen und demokratischen Einstellung galt er in einem zwischen den totalitären Strömungen Europas polarisierten Spanien als Gegner aller sich befeindenden Lager. Er verfasste tausende Artikel und Reportagen aus Spanien und bereiste Europa bis an die äußersten Grenzen des Kontinents. Nach seiner Flucht vor den franquistischen Truppen lebte er zunächst in Paris, von wo er vor den einmarschierenden Nazis nach London floh. In London verstarb er unerwartet 1944. Sein Werk war dem spanischen Publikum über 60 Jahre unbekannt. Heute zählt er zu den bedeutenden Stimmen der europäischen Geschichte, seine Werke werden in Spanien mehrfach ediert und in immer mehr Sprachen übersetzt.

Quelle: Verlag / vlb

Neue Bücher

Cover des Buches Die Agonie Frankreichs (ISBN: 9783966751452)

Die Agonie Frankreichs

Erscheint am 27.11.2025 als Gebundenes Buch bei KUPIDO Literaturverlag.

Alle Bücher von Manuel Chaves Nogales

Cover des Buches ¡Blut und Feuer! (ISBN: 9783966751551)

¡Blut und Feuer!

(1)
Erschienen am 10.04.2023
Cover des Buches Juan Belmonte. Stiertöter (ISBN: 9783751806305)

Juan Belmonte. Stiertöter

(1)
Erschienen am 14.04.2022
Cover des Buches Die Agonie Frankreichs (ISBN: 9783966751452)

Die Agonie Frankreichs

(0)
Erscheint am 27.11.2025
Cover des Buches Die Stadt. Sevilla (ISBN: 9783966752237)

Die Stadt. Sevilla

(0)
Erscheint am 25.05.2026

Neue Rezensionen zu Manuel Chaves Nogales

Cover des Buches ¡Blut und Feuer! (ISBN: 9783966751551)
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Rezension zu "¡Blut und Feuer!" von Manuel Chaves Nogales

Gwhynwhyfar
Es sind wahre Geschichten, die aus den Erlebnissen von Chaves und Berichten entstanden, empathisch und bildlich erzählt.

«Chaves Nogales hat niemals einer Partei angehört. Sein Credo ist das der Demokratie. Er glaubte an die politische Freiheit und lehnte alle Arten von Diktatur ab, egal ob es die faschistische oder kommunistische ist, egal, ob rassistisch oder proletarisch. … Ihm ging es in Spanien immer darum, das Interesse der Massen für die gravierendsten sozialen und politischen Probleme der Zeit zu wecken.»


Manuel Chaves Nogales, geboren 1897 in Sevilla, war Spaniens herausragender Journalist der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Seine Artikel, die in dem für ihm typischen, erzählendem, humoristischem Stil, oft als Fortsetzungsgeschichten herausgab, sind bereits zu seinen Lebzeiten als Erzählungen in Bücher zusammengefasst worden. Jedes dieser Bände liest sich noch heute erfrischend und witzig – als käme ein Hundertjähriger in der Optik eines Dreißigjährigen daher. Lange Zeit schmorten seine Bücher im Keller, waren unter Franco verboten, wurden erst in jüngster Zeit in Spanien wiederentdeckt. Glücklicherweise! 1936 bis 1939 wütete in Spanien ein Bruderkrieg, der Guerra Civil. Die junge Demokratie wurde von General Franco geputscht. Ein blutiger Bürgerkrieg, in dem sich keine Seite mit Ruhm bekleckerte. Manuel Chaves Nogales arbeitete in Madrid bei der großen Tageszeitung «AHORA»; seine Artikel waren in Spanien sehr beliebt. Gleich zu Beginn des Krieges wurde die Redaktion der «AHORA» durch einen Arbeiterrat der sozialistischen Jugend enteignet. Als Chefredakteur hielt Nogales nur ein paar Monate durch. Dazu in seinem typischen Humor (die Parolen, die zu schreiben waren, waren vorgegeben), er musste «die Sache des Volkes gegen den Faschismus und die aufständischen Militärs zu verteidigen». Anfangs lavierte er sich durch, positionierte sich auf keiner Seite. «Als Antifaschist und Antirevolutionär aus innerer Veranlagung, weigerte ich mich beharrlich, an das Heilsversprechen großer Umstürze zu glauben.» Er war in Russland gewesen, hatte den Kommunismus verteufelt, ebenso die Faschisten Hitler und Mussolini. Chaves stand klar für eine Demokratie. Und ob die von den Linken Milizen gewollt war, das schien ihm nicht klar. Dieser Krieg ließ keine Mitte zu. «Ich beschloss, schreibend auszuharren und mich den Gesetzen der Evolution und des Fortschritts anzuvertrauen.» Dank seiner spitzen Feder von beiden Seiten auf die Todesliste gesetzt, musste Chaves Ende 1936 ins Exil gehen, erst nach Paris, später nach London, wo er 1944 nach einer Operation mit 47 Jahren starb; heute nimmt man an, es war ein Magenkarzinom. Sein Lebenslauf und seine Bedeutung für Spanien werden im Vorwort gut erörtert.


«In nur wenigen war die «Eiserne Kolonne» zum Schrecken in der Region Levante geworden. … morodierte durch dieses alte Königreich Valencia von Ort zu Ort und widmete sich unbehelligt der Verwüstung und Zerstörung. Unter dem Vorwand, das Land von untergetauchten Faschisten zu säubern, behelligten diese Männer nach Laune mordend und plündernd, Dorf um Dorf, ohne dass sich ihnen die wenigen Kräfte, über die der Staat noch verfügte, entgegenstellen konnten. Überwiegend setzte sich diese Kolonne aus Ex-Sträflingen zusammen, die sich unter dem rotschwarzen Abzeichen der Anarchisten versteckt hielten.»


1937 erschien «¡Blut und Feuer!» im chilenischen Verlag Ercilla, das Manuskript hatte Chaves im Exil in Paris geschrieben. 9 Kriegsgeschichten, die unter die Haut gehen. Hier wird vor niemand Halt gemacht. Es sind wahre Geschichten, die aus den Erlebnissen von Chaves und Berichten entstanden. Chaves ist ein erzählender Berichterstatter, der empathisch sich auf die Seite der Menschen schlägt. Ob kommunistische Milizionäre, Faschisten, Anarchisten: Es gibt keine Schuldzuweisungen und kein Gut oder Böse. Gerade das macht die Erzählungen so glaubwürdig. Trotz aller Grauen behält der Autor seinen satirischen Unterton bei, was wiederum ein wenig den Schrecken nimmt. Madrid konnte sich lange gegen die Franquisten halten, obwohl die Luftwaffen von Italien und Deutschland die Hauptstadt unablässig bombardieren. «Massaker, Massaker» – Blut fließt auf den Straßen, davon berichtet die erste Geschichte. «Die Bosheit, die sich rasend schnell des ganzen terrorisierten Madrids bemächtigte, gerann schließlich in einem einmütigen Schrei: Massaker! Massaker!» Geschichten aus dem Leben eines Kriegs, bei dem sie Freunde plötzlich gegenüberstehen, sich gegenseitig abschlachten. Menschen denunzieren sich gegenseitig, und so mancher gerät unter falschen Verdacht, liquidiert durchs Gewehr. «Das menschliche Leben hatte jeglichen Wert verloren.» In der Geschichte «Die Reiter des Marqués» formiert sich ein Trupp des Landadels zu Pferd mit seinen Bauern, die sich mit Mistgabeln bewaffnet haben, um gegen die bewaffnete Gegenseite vorzugehen. Und der Marqués hält eine Rede, weiß, wie man das Volk behandeln muss: «Man muss es schlecht behandeln. ... Schon immer hat man so regiert, mit dem Knüppel. Das wollen diese Idioten mit ihrer Republik aber nicht wahrhaben.» Drum muss man sie bekämpfen. «Der Arbeiterrat» erinnert an russische Szenen der Revolution: Wer eine eigene Meinung hat, wird hart bestraft. Von der einen wie auch der anderen Seite laufen die Anhänger über, wenn sie erleben, wie ihre eigenen Truppen massakrieren – um dann festzustellen, die anderen sind auch nicht besser. Marokkanischen Söldner werden von den Falangisten eingesetzt. Und da steht dieser Maure mit zerschossenem Bein, ruft: «Nicht schießen, ich sein Roter. Ich sein Republik.» Die Roten gehen mit vier Männern auf ihn zu; aber nur einer hat’s überlebt, als er sein Messer hervorzieht. Der Maure kann vom Vierten überwältigt werden. Harte Kämpfer; die Mauren versuchen, Madrid zu erstürmen – viele Geschichten aus diesem Krieg, empatisch und bildlich erzählt. Spannender kann kein Roman sein. Die Charaktere sind fein literarisch herausgearbeitet und überzeugen. 


«Aus vertrauenswürdigen Quellen weiß ich, dass eine faschistische Gruppe in Madrid noch vor Ausbruch des Krieges, perfekt vorschriftsmäßig, die Verabredung getroffen hatte, meine Ermordung als eine der präventiven Maßnahmen gegen den möglichen Triumph der sozialen Revolution durchzuführen, ohne zu ahnen, dass die Revolutionäre, Anarchisten wie Kommunisten, ihrerseits meinten, ich sei perfekt erschießungswürdig.»


Nogales Werk wiederentdeckt, in lebendiger Sprache, ist heute in Spanien ein Schritt zur Aufarbeitung der Geschichte. Während der Franco-Ära war es verboten darüber zu reden und nach dem Ende der Diktatur waren alle verstummt. Zwei verfeindete Seiten standen sich gegenüber, Nachbar an Nachbar – mussten in Frieden weiter miteinander leben. Zu tief saßen die Wunden. Heute ist es für die Nachkommen an der Zeit, sich mit ihrer Geschichte zu befassen. Wer wäre da besser geeignet als der Journalist Manuel Chaves Nogales. Alle seine Bücher sind empfehlenswert, z.B. die Glosse «Ifni. Spaniens letztes Koloniales Abenteuer» oder die die Biografie des legendären Stierkämpfers Belmonte, «Juan Belmonte, Stierkämpfer, sein Leben und seine Heldentaten». In dem vorliegenden Band vereinen sich, wie in all seinen Büchern, spanische Geschichte und Literatur zu einem fulminanten Gesamtwerk.


Manuel Chaves Nogales (Sevilla, 1897 – London, 1944), Autor und bedeutendster Journalist in Spaniens Zweiter Republik, geriet aufgrund des Verbots seines Namens unter Franco in völlige Vergessenheit. Seine nicht zu brechende Liberalität beeinflusst seit seiner Wiederentdeckung in den 1990er Jahren den neu entfachten Diskurs über Spaniens Geschichte. Sein Werk umfasst Erzählungen, Romane und Reportagen und hält wichtige Erkenntnisse für das Verständnis der Funktionsweisen von militärischer Gewalt und propagandistischer Falschinformation bereit. Chaves Nogales stirbt 1944 in London. Das Ende des Zweiten Weltkriegs und den Sieg über den Totalitarismus erlebt er nicht mehr. Ein Ereignis, das er als Mensch herbeigesehnt und für das er als freiheitlicher Journalist immer geschrieben hatte.


Cover des Buches Juan Belmonte. Stiertöter (ISBN: 9783751806305)
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Rezension zu "Juan Belmonte. Stiertöter" von Manuel Chaves Nogales

Gwhynwhyfar
Ein steiniger Weg mit vielen Rückschlägen bringt Nogales endlich ans Ziel: 1908 in der Arena als Torero kämpfen zu dürfen.


«Juan versteht nichts von der Welt, was Wahrheit ist, bestimmt seine Lust. Sich der Brandung des Lebens mit blanker Brust entgegenzustellen, ist ein wahrlich heldenhaftes Unterfangen, das für den Rest des Lebens Juans Charakter prägen wird.»


Belmonte war wohl der bekannteste und am meisten verehrte Torero in Spanien, begann seine Stierkampfkarriere im Jahre 1908, als er mit einer Gruppe von Stierkämpfern namens «Los Niños Sevillanos» durch Spanien tourte. Was unterschied ihn von den anderen? Er stand aufrechter, fast regungslos, wartete auf den Stier und drehte sich erst in letzter Sekunde zur Seite, ließ den Stier ins Tuch laufen, arbeitete gefährlich eng am Stier, hatte die Corrida durch seinen gefährlichen Stil neu erfunden. Das war extrem mutig. Verletzungen waren für Toreros normal – der Tod stand in jedem Kampf gegenüber. Doch durch seine direkte Konfrontation mit dem Stier zog sich Belmonte im Laufe seiner Karriere 24 schwere Verletzungen zu; er wird als bester Torero aller Zeiten bezeichnet. Sein größter Rivale, Joselito, endete auf den Hörnern eines Stiers. Zu dieser Zeit, «das goldene Zeitalter des Stierkampfs» genannt, kämpfte man aber nicht nur in Spanien. Belmonte reiste nach Südamerika, Mexiko, Portugal, Frankreich, um in den bekannten Arenen aufzutreten. Wenn man seine Bekanntheit und seinen Ruhm vergleicht, sein Gehalt, dann würde man ihn heute mit einem Top-Fußballer vergleichen können. Kurz vor dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges beendete Belmonte im Jahr 1935 endgültig seine Karriere als Torero; circa 1.650 Stiere hatte er besiegt. Er zog sich zurück auf seine Finca in Andalusien und erschoss sich kurz vor seinem 70. Geburtstag 1962, da er an Lungenkrebs unheilbar erkrankt war.  


1937 veröffentlichte Manuel Chaves Nogales die Biografie des Toreros unter dem Titel «Juan Belmonte, matador de toros: su vida y sus hazañas» –  die aber in Ich-Form geschrieben oft als Autobiografie gehandelt wurde. Nogales wiederum ist einer der besten Journalisten (wenn nicht sogar der Beste) und Schriftsteller seiner Zeit. Unter der Diktatur von Franco musste er ins Exil nach London fliehen, wo er auch verstarb. Er war bekannt für seine Reportagen, die meist humoristisch gestaltet waren, lebendig, literarisch. Beide Männer stammen aus Sevilla und trafen mehrfach zusammen. Aus langen Interviews ist die Biografie entstanden, die zunächst als Mehrteiler wöchentlich in der Zeitschrift «Estampa» veröffentlicht wurde, später, wie auch viele andere seiner Mehrteiler, als Buch. 


Der Legende nach soll der seinerzeit weltberühmte Torero Juan Belmonte eines Tages in Chaves Nogales› Büro getreten sein, um ihn, den brillantesten Journalisten seiner Zeit, zu bitten, seine Biografie zu schreiben. Chaves Nogales aber hatte noch nie einen Stierkampf gesehen - und verspürte auch keine Lust, einen anzuschauen. Was ihm dann mit dem vorliegenden Buch - der fiktiven Autobiografie des Stiertöters - gelang, ist ein literarisches Husarenstück im Stile James Boswells Dr. Samuel Johnson. Das Buch war gleich nach Erscheinen so erfolgreich, dass der wahre Autor dahinter für lange Zeit in Vergessenheit geriet. Nogales, der als einer der letzten großen Liberalen auf den Todeslisten der Faschisten wie der Kommunisten stand, überschritt damit alle Genregrenzen und schuf das vielleicht bedeutendste Buch über den Stierkampf. Die Biografie, die ich als Schelmenroman bezeichnen würde, beginnt in den Kinderjahren Belmontes, schildert Lausbubengeschichten, die Sehnsucht der jungen «toerillo», ein Torero zu werden, alles dafür zu geben, um dabei sein zu dürfen. Denn es war gar nicht so einfach, in dieses Geschäft einzusteigen, den ersten Kampf zu bekommen. Und es ist ein historisches Dokument des damaligen Sevillas. Nogales schildert die Arbeit des Toreros mit all seiner Begeisterung und seinem Abscheu, zeigt uns die Bedeutung des Stierkampfs der damaligen Zeit, räumt mit Irrtümern aus. Wer Spanien und die Affinität zum Stierkampf begreifen will, die andalusische Seele, der kommt um diesen humorvollen Roman nicht herum.


«Jeder von uns verharrte – als sei er aus Marmor – in der Haltung. ... Der Stier starrte uns an. Langsam kam er näher. Er peitschte sich mit dem Schwanz die Flanken ab und lauerte auf die leiseste Provokation.»


Belmonte setzt sich bereits als Kind in den Kopf, Stierkämpfer zu werden. Er wächst im Armenviertel Triana von Sevilla auf. Mit einer Bande von Kindern, später Jugendliche, versuchen sie sich im Stierkampf auf den Wiesen von Tablada mit den Bullen – sehr zum Unmut der Viehzüchter. Es ist herrlich zu lesen, was diese Rasselbande alles auf sich nimmt, um sich mit den Stieren zu messen. Als junger Mann findet Belmonte einen Promoter, einen Freund des Vaters, der versucht, für ihn einen Platz in der Arena zu bekommen. Das alles ist nicht einfach, wenn man kein Geld hat und sich keinen anständigen Anzug leisten kann, da leiht man sich auch mal einen aus dem Fundus der Oper. Die Züchter bestellen die Toreros und die sind gnadenlos mit dem, was sie verlangen, was sie an Gehalt zahlen. Aber Belmonte boxt sich durch, trotz Niederlagen macht er weiter.


«Am Ende hatte ich irgendwie einen Vertrag. Durch einen dieser zahllosen Lebenskünstler, die durch Sevilla liefen und sich als Vermittler von Toreros ausgaben.»


Den ersten Vertrag in der Hand fehlt nun aber die «traje de luces», der Anzug. Die ausgeliehne Kluft entpuppt sich als antiquarisch und ramponiert. «Nach wenigen Augenblicken in der Arena bemerkt das Publikum mühelos den stilistischen Unterschied zwischen den beiden cuadrillas: denn eleganten Sevillanern und den Lumpen aus Triana. Zwei Stilrichtungen auf Konfrontation.» Und eines Tages ist es soweit: Belmonte wird zum Superstar. Der Mann, der keine Angst vor dem Stier hat. Plötzlich berühmt, setzt man ihm den Terminkalender voll. Ein Kampf nach dem anderen. Jubel auf den Straßen, die Belagerung durch Fans, nirgendwo ist er mehr sicher, wird überall erkannt, wird verfolgt. Druck lastet auf ihm, bedrängt von allen Seiten. «Mein Leben hatte an Emotion verloren, und die Begeisterung war verflogen. Ich kämpfte mal mit mehr, mal mit weniger Fortüne. Kaum hatte ich mich versehen, umgab mich lächerlichen Knirps das lärmende Theater der Berühmtheit.» Ein Star lebte auch damals nicht besser als heute. In Madrid hatte Belmonte es immer schwer, die Zuschauer bevorzugten nämlich einheimische Toreros. Schnell wurde man auch mal ausgebuht. 


«Am Tag eines Stierkampfs wächst der Bart schneller. Das ist die Angst. Nichts anderes als Angst. In den Stunden vor einem Stierkampf durchleidet man so viele Ängste, dass der ganze Körper wegen seiner zittrigen Nervosität auf Alarm umschaltet und sämtliche physiologischen Funktionen intensiviert.»


Belmonte ein belesener Mann, der die Romane der großen Autoren seiner Zeit in Bücherkisten auf seinen Reisen mit sich führte. Er war ein enger Freund Hemingways und bewundert von Stierkampf-aficionados wie Pablo Picasso. Das besondere an dieser Biografie ist, dass es Nogales schafft, den Leser vergessen zu lassen, dass hier eben nicht der Journalist spricht – sondern Belmonte selbst. Auch noch heute liest sich der Roman amüsant und spannend. Aus dem Lausbub wird ein Superstar, der immer wieder mit sich hadert, der den Rotzlöffel nie ablegen kann. Ein aufregendes Leben – insbesondere für die damalige Zeit. Probleme eines Sport-Promis, die aus der heutigen Zeit stammen könnten. Ein Blick in die andalusische Seele. Ein hervorragendes Kapitel spanischer Geschichte! Empfehlung!



Manuel Chaves Nogales, 1897 in Sevilla geboren, entstammte einer bürgerlichen Familie (seine Mutter war Konzertpianistin, sein Großvater ein berühmter Maler von Stierkampfszenen) und bereist seit dem Ende der 20er-Jahre die Länder Europas und die UdSSR. Dabei setzte er immer wieder sein Leben aufs Spiel und verfasste zahlreiche Artikel, Reportagen und Bücher. Kaum einer steht in Spanien aufrechter für das Schicksal der verfolgten spanischen Intelligenz und der Republik. Dank seiner nicht zu brechenden Liberalität führt Spanien heute einen aufgeklärten Diskurs über seine Geschichte. In Deutschland nahezu unbekannt, zählt Chaves Nogales inzwischen zu den integersten Stimmen Europas. Zwischen 1928 und 1944 verfasste er zahlreiche Werke über Frankreich, Russland und Deutschland. Franco degradierte ihn zur namenlosen Person. Sechzig Jahre nach seinem Tod wird sein Werk entdeckt. Chaves Nogales starb 1944 in London.


Eine journalistische spanische Reportage aus 1934 - humorvoll und spannend!

Der Journalist Manuel Chaves Nogales, geboren 1897 in Sevilla, gestorben 1944 im Exil in London, gilt heute als einer der wichtigen Autoren der spanischen Literatur und Publizistik des 20. Jahrhunderts. Er arbeitete für die Zeitschrift AHORA, deren Vizedirektor er damals war. Als Regimekritiker und Republikaner musste er ins Exil nach Paris flüchten, als General Franco seine Diktatur errichtete, weiter nach London, als die Nazis Paris einnahmen. Sein Name wurde unter dem Caudillo totgeschwiegen und Chaves ist heute als Literat wiederentdeckt. Zu seiner Zeit bei AHORA war er bekannt für seine feinen Reportagen. Die lebendige Sprache und sein Humor zeichneten ihn aus, wie auch sein feines Hinterfragen. Und genau darum geht es hier. 


Hintergrund: 1934 reist der Journalist nach Marokko, um einem Gerücht nachzugehen, das die spanische Bevölkerung seit dem militärischen Desaster von Annual bewegt: Gibt es in Marokko wirklich 300 Überlebende, die sich in Gefangenschaft befinden? Die Schlacht von Annual fand am 22. Juli 1921 bei Annual im nordöstlichen Spanisch-Marokko innerhalb des Rifkrieges statt. Die spanische Armee (etwa 16.000 Soldaten, 4.000 marokkanischen Regulares) ging gegen die Aufständischen der Rifregion vor, die unter dem Rifkabylen Mohammed Abd al-Karim kämpften. Nach der Niederlage ordnete General Silvestre den Rückzug nach Melilla an, der aber in einer chaotischen Flucht ausartete, bei der Verwundete, Kranke, Waffen und Ausrüstung zurückgelassen wurden. In den folgenden 19 Tagen wurden sämtliche 155 spanische Stützpunkte überrannt und die Besatzungen getötet, das spanische Militär brach in Marokko zusammen. Circa 5.000 spanische Soldaten unter dem Kommando von General Felipe Navarro verbarrikadierten sich im Fort Monte Arruit. Nach ihrer Kapitulation und Verhandlung mit den Aufständischen war vereinbart, die Spanier gehen zu lassen. Die Marokkaner aber hielten sich nicht daran und töteten 3.000 Spanier, 600 wurden gefangen genommen. Die Niederlage führte in Spanien zu einer innenpolitischen Krise und zu einem Umdenken über die Kolonialpolitik in der Rifregion. Deshalb musste König Alfonso XIII 1923 abdanken, ins Exil gehen, die Geschäfte an Primo de Rivera abtreten, der eine Militärdiktatur errichtet. 1931 jedoch siegten die Republikaner bei freien Wahlen, die Republik wurde ausgerufen: Demokratie in Spanien. Das Militär um General Franco bastelte zu der Zeit bereits an einem Umsturz. 


«Die Unruhe stiftende Kampagne um die angeblichen Gefangenen hat keinerlei bedeutenden Rückhalt. Nur wo Rauch ist, ist auch Feuer, das die Bevölkerung in Atem hält. Der Rauch qualmt, weil eine gewisse Klientel bei allem, was mit Marokko zu tun hat, profitiert.  ... Der Staat spuckt überall ein Sümmchen aus, und wo wäre es sinnvoller, als einmal nachzuschauen, ob man nicht ein paar Spanier auferstehen lassen kann, die man für tot erklärte?

Marokko ist ein derart undurchsichtiges Terrain, sodass alles möglich ist. Selbst wenn man sich Gefangene herbeisehnt, gibt es am Ende welche.»


Und nun ging das Gerücht um, in Marokko würden seit Annual immer noch Spanier gefangengehalten, es gäbe noch Überlebende! Das Volk fordert Verhandlungen. Gebt ihnen das geforderte Lösegeld und kauft unsere Leute frei! Für die Familien! Und hier setzt dieses Buch an. 1934 reist der Journalist Manuel Chaves Nogales nach Marokko und geht diesem Gerücht nach. Er glaubt nicht an Überlebende. Doch er will sich selbst überzeugen. In der Zeitschrift AHORA positioniert er den Gehalt des Gerüchts, stellt das es in Frage. Es ist köstlich, wie er beschreibt, wer sich in Marokko alles als Spanier bezeichnen könnte, sogar einen spanischen Pass besitzt. Er fragt sich, welchen Sinn es für einen kleinen Berberstamm ergeben würde, jahrelang 300 Gefangene festzuhalten, die er bewachen und ernähren müsse. Den Gerüchten zufolge sollen die Gefangenen im Gebiet Ifni festegesetzt sein, das spanisch besetzte Gebiet an der Südwestküste, an der westafrikanischen Atlantikküste auf der Höhe der Kanarischen Inseln, südlich von Agadir, das bis dahin als kolonialer Besitz nie verwaltet wurde. Ifni, früher Frankreich zugeordnet, ging nach einem Vertrag von 1860 wieder offiziell an die spanische Kolonie. Auch hier sehr amüsant beschrieben, wie die Spanier über den Tisch gezogen wurden, wie er den Unterschied zwischen französischen und spanischen Besetzern herausarbeitet. Dieses Buch enthält alle Berichte, die Chaves zum Thema in der AHORA veröffentlichte, seine Reiseberichtserstattung. Angekommen in Marokko, sucht er mit seinem Team eine Möglichkeit, nach Ifni überzusetzen, das nur per Boot erreichbar ist. Niemand traut sich, die Journalisten dort hinüberzusetzen – reiner Selbstmord. Was nun? Der Zufall will es, dass zu der Zeit spanische Truppen in Ifni einen Stützpunkt anlegen sollen, die Berber friedlich entwaffnen, um das Territorium zu festigen. Chaves reist mit ihnen mit, um das zu dokumentieren und den Gerüchten nachzugehen. Aus seiner damaligen kolonialen Denkweise ein berechtigtes Anliegen.


«Sidi Ifni, frisch erkorene spanische Hauptstadt, kommt auf drei oder vier Häuser, wenn man diese Schutzwälle ohne Dach Häuser nennen kann. Eins davon, das größte, soll von Oberst Capaz in Beschlag genommen worden sein, um dort das einzurichten, was man als Sitz der Provinzregierung bezeichnen könnte.»


Chaves ist ein kluger Journalist. Er berichtet nicht einfach – was schon an sich lesenswert ist – sondern er macht sich Gedanken über den Sinn und Zweck dieser Aktion, unterlegt mit schwarzem Humor. Die Reise durch die Region ist atemberaubend zu lesen, ein historischer Eindruck ins alte Marokko, es kommt einem Abenteuerroman gleich. Seine Texte telegrafiert er nach Spanien. Chaves interessiert sich für die Menschen vor Ort, sammelt Geschichten. Nachdenkliches, Erstaunliches und Sitten und Gebräuche, man fliegt durch das Buch. Sitte war es, dass die Nomaden auf den Wiesen der Bauern weiden durften, dafür griffen die kriegerischen Nomaden die Bauern nicht an. Eine Geschichte wird Charves zugetragen: Die Spanier hissten die Flagge und und versprachen dem Volk, die ja nun Spanier waren, dass man sie beschütze. Und schon trat ein Scharif vor und berichtete, ein Nomade sei mit 500 Kamelen in seinen Besitz eingedrungen, und er erwartete, dass die neuen spanischen Herren den sogleich hinauswerfen mögen. 


«In jeder Siedlung regiert die Volksversammlung oder Yemaa, zu der nicht nur die Angesehenen, sondern alle, ausnahmslos alle Männer der Siedlung angehören. ... aber auch alle verwitweten Frauen, die ein Gewehr ihr Eigen nennen, haben Mitsprache- und Stimmrecht. Ein klarer Fall von triumphierendem Feminismus im Herzen Afrikas.»


Wundervolle Reportagen aus einer Zeit, die nicht mehr existiert. Brillianter Journalismus! Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen – und sicherlich noch mehr von diesem Autor. Ein geschichtlicher Klassiker! Die übersetzte Reportage ist mit einigen Originalseiten von AHORA und Fotos der Reise bebildert. Empfehlung! 


Was Chaves zu diesem Zeitpunkt nicht wissen kann: Ifni wird 1957 und 1958 der Schauplatz des «la Guerra Olvidada» (vergessener Krieg) werden. Der letzte spanische Kolonialkrieg. Es sollte der Befreiungskrieg für die Marokkaner werden, aber Spanien behielten die Oberhand. Im April 1958 unterzeichneten die Regierungen von Spanien und Marokko das Abkommen von Angra de Cintra. Marokko erhielt die Region von Tarfaya und Spanien behielt Sidi Ifni und Spanisch-Westafrika. Doch nach internationalem Druck (UN-Resolution von 1965) musste Spanien Ifni 1969 an Marokko abtreten. Bis heute wirken die Ereignisse im Umgang der beiden Staaten nach.


«„Chaves passt sich keiner politischen Orthodoxie an. Natürlich passt er nicht in die Strategie, die Francos Andenken aufrechterhalten will; aber genauso wenig passt er in die Strategie anti-franquistischer Gedenkkultur.» (Antonio Muñoz Molina)


Manuel Chaves Nogales (Sevilla, 1897 — London, 1944). Kaum einer steht in Spanien aufrechter für das Schicksal der verfolgten spanischen Intelligenz und der Republik. Dank seiner nicht zu brechenden Liberalität führt Spanien heute einen aufgeklärten Diskurs über seine Geschichte. In Deutschland nahezu unbekannt, zählt Chaves Nogales inzwischen zu den integersten Stimmen Europas. Zwischen 1928 und 1944 verfasste er zahlreiche Werke über Frankreich, Russland und Deutschland. Franco degradierte ihn zur namenlosen Person. Er stirbt im englischen Exil und gerät in „perfekte Vergessenheit”. Sechzig Jahre nach seinem Tod wird sein Werk entdeckt.


https://literaturblog-sabine-ibing.blogspot.com/p/ifni-von-manuel-chavez-nogales-rezension.html

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