Manuel Niedermeier

 4,2 Sterne bei 6 Bewertungen

Lebenslauf

Manuel Niedermeier, geboren 1984 in Regensburg, studierte Germanistik, Sprachwissenschaften und Komparatistik in Regensburg und Wien. Neben dem Schreiben arbeitet er als Bühnentechniker und Dozent für Kreatives Schreiben. Für seinen Debütroman »Durch frühen Morgennebel« erhielt er 2014 den Bayerischen Kunstförderpreis für Literatur. Manuel Niedermeier lebt in Berlin.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Manuel Niedermeier

Cover des Buches Durch frühen Morgennebel (ISBN: 9783406659546)

Durch frühen Morgennebel

(4)
Erschienen am 11.03.2014
Cover des Buches Das ist einer, der lebt! (ISBN: 9783328602835)

Das ist einer, der lebt!

(2)
Erschienen am 01.03.2023

Neue Rezensionen zu Manuel Niedermeier

Cover des Buches Das ist einer, der lebt! (ISBN: 9783328602835)
Thomas_Lawalls avatar

Rezension zu "Das ist einer, der lebt!" von Manuel Niedermeier

Thomas_Lawall
"Ankunft im Ungewissen"

Eine Reise soll es sein. Die berühmte auf der Suche nach dem eigenen Weg. Und abbiegen ist auch noch angesagt. Die vorgezeichnete Richtung der Eltern verlassen oder sie im besten Fall gar nicht zu betreten. Wie soll das gehen? Kurz und schmerzlos jedenfalls nicht.

Ralf und Małgorzata wissen es und wollen es, ohne jedoch eine Vorstellung davon zu haben, wie ein solcher Lebensentwurf aussehen könnte. Für Ralf, den Sohn einer "genialischen" Schauspielerin, führt die Suche auf einem Umweg über die "Avantgarde", wie auch immer man diese heute definieren möge. Für ihn also führt jene Suche erst einmal einhundert Jahre zurück.

Ein Neffe Oscar Wildes hat es ihm angetan. Im schillernden Leben des Arthur Cravan, geb. 1887 als Fabian Lloyd, glaubt er Parallelen zur eigenen Existenz zu entdecken, auch wenn diese mitunter schwer nachzuvollziehen sind. Interessant wird es insofern, als sich Ralfs große Liebe mit einer Person beschäftigt, die Arthur sehr nahe stand. Małgorzata, die sich der Literaturwissenschaft verschrieben hat, interessiert sich für die amerikanische Künstlerin und Dichterin Mina Loy, die den "Poeten-Boxer" Arthur Cravan 1918 in Mexico-Stadt heiratete.

Was das Leben der beiden historischen Persönlichkeiten mit den in der Gegenwart lebenden genau zu tun hat, bleibt der Phantasie der Lesenden überlassen. Die oft heraufbeschworen wirkenden "Parallelen" können nicht immer überzeugen. Die permanenten Zeitsprünge sind oft anstrengend und unübersichtlich zugleich, zeigen aber andererseits in eine Richtung, die Ralf erst nach und nach für sich entdecken wird. Denn wenn Leben, die keinen sog. geordneten Bahnen folgen, als Vorbilder dienen, dann sind eine ganze Menge konventioneller Lebensentwürfe von vornherein ausgeschlossen...

Nicht nur der Stoff und die Perspektiven der Geschichte(n) sind ungewöhnlich, sondern auch und ganz besonders die Form! Im Grunde ist sie ein Livestream vor etwa 700 Zuschauer:innen. Sie alle sind neugierig, ohne zu wissen, was wirklich auf sie zukommt.

"Sie kennen diese Facette noch nicht, den Cravan in mir, den Meister des Extremen."

Jahre hat es gedauert, so viele Follower zu bekommen und zu motivieren, am Ball zu bleiben. Bleibt zu hoffen, dass Ralfs Kinder Bartosz und Hannes durchschlafen werden...

Denken und immer wieder (zer)denken. Was nutzt das ganze gescheite Drehen und Wenden? Wird sich am Ende herausstellen, dass nach all den Erwägungen schlicht etwas zu TUN ist, wenn da plötzlich Mut genug vorhanden ist, eigene Wege zu gehen? Die unbekannten unentdeckten. Denn wie heißt es im ersten Kapitel:

"Jeder Aufbruch ist eine Ankunft im Ungewissen."

Wie man es schafft, nicht das Leben der Eltern zu führen? Eine direkte Antwort gibt Manuel Niedermeier nicht. Indirekte Hinweise auf die Beschilderung zahlreicher Lösungswege schälen sich aber nach und nach heraus. Spätestens am Ende der Geschichte. Klar und unzweideutig. Und damit kann jetzt jede:r etwas anfangen.

 



Cover des Buches Das ist einer, der lebt! (ISBN: 9783328602835)
ins_lebenlesens avatar

Rezension zu "Das ist einer, der lebt!" von Manuel Niedermeier

ins_lebenlesen
Wie wir überleben und was die Liebe, das Schreiben und die Kunst damit zu tun haben

 

Es beginnt und endet mit dem Tod. 1918 stach der Schriftsteller, Abenteurer und Lebenskünstler Arthur Craven mit 31 in Mexiko in See, blieb verschwunden und wurde später für tot erklärt. 2018 – also 100 Jahre später - starb Malgorzata, geliebte Frau des schreibenden Ich-Erzählers und Mutter seiner zwei Söhne, mit 28. Vom Tod aus wird die Geschichte erzählt und darauf steuert sie zu.

 „Wir drehen hier Kreise, ja, aber wie bei einem Strudel wird der Radius dieser Kreise immer kleiner und enger, und irgendwann endet alles in einem Punkt. In einem Punkt. Diesem Punkt.“ (S. 215)

 Ja, ein mächtiger Strudel ist diese Geschichte. Sie wird erzählt von Ralf Winden, dem Werbetexter, der - am Tod seiner Geliebten Malgorzata zerbrochen -beschließt, sich in EINER Nacht vor 800 Followern in einem Livestream die Geschichte von Arthur Craven und Malgorzata - und somit seine Geschichte - von der Seele zu reden. Seine zwei Kinder schlafen im Nebenzimmer und eine Linie Koks liegt vor ihm, um ihm zu helfen, diese Nacht zu überstehen.

 Es ist ein wilder Ritt durch das Leben von Arthur Craven (schlagt mal nach, falls Ihr ihn nicht kennt – ein irrer Typ, einer, der lebt!) und Ralf Winden. Du kommst kaum mit, wer Arthur und wer Ralf ist, denn M. Niedermeier verknotet ihre schicksalhaft verbundenen Leben in rasantem Tempo miteinander. Sie werden mit betörender Leichtigkeit und pointenreichen Anekdoten zu einem Strudel aus dem es kein Entkommen gibt. Die Story folgt durch das Mittel der freien Rede im Livestream keiner starren Linie und saugt einen doch ein. Sie hat was Jazziges. 

 Berauscht und geradezu atemlos fliege ich auf der Achterbahn dieser Geschichte. Möchte mehr wissen über Arthur Craven, Oscar Wilde, dessen Neffe er ist, die Dichterin Mina Loy, die letzte Liebe Arthurs, über die Avantgardisten, Futuristen, Gertrude Stein, die Belle Époque, über all die Künstler, die in der Geschichte auftauchen, über die Kunstszene im Paris des beginnenden 20. Jahrhunderts vor und während der ersten Tage des ersten Weltkriegs. 

 Im Kern geht es wohl um Parallelen und Wiederholungen im Leben, die beflügeln oder hemmen können, darum dass es immer auf und ab geht. Und wie wir uns selbst verwirklichen, wie wir überleben und was die Liebe, das Schreiben und die Kunst damit zu tun haben. Und mach Dein Ding, sch*ß-egal, was andere von Dir denken.

 „… so wie das hier muss sich Literatur anfühlen! Als könntest du wegen jeder Zeile, die Du schreibst, im Eis einbrechen; als könntest Du wegen jeder Zeile ertrinken. Und dann, am Ende Deines Textes, hast du überlebt. Du fühlst, wie es trägt. Jede einzelne Zeile hast Du überlebt, und das Publikum lebt, freier als jemals zuvor, und sagt: Dieser Text, das ist einer der lebt!, einer der atmet.“ (S. 144)

 Manuel Niedermeyer ist meine Neuentdeckung des Jahres. Vielen Dank an das @bloggerportal und den @penguinverlag für das Rezensionsexemplar! Vielen Dank an @manuelniedermeyer für diese aufregende Reise!

Cover des Buches Durch frühen Morgennebel (ISBN: 9783406659546)
Schneekatzes avatar

Rezension zu "Durch frühen Morgennebel" von Manuel Niedermeier

Schneekatze
[Rezension] Ein Roman wie ein Fotobuch mit eindrücklichen Bildern.

Titel & Cover: Beides wirkt poetisch: Man erwartet somit ein tiefgründiges Buch, das nachdenklich macht, und in dem man mitfühlen kann. Und genau das bekommt der Leser auch.

Idee & Umsetzung: Clemens ist leidenschaftlicher Fotograf und macht eine Expedition in die Arktis mit, um dort zu fotografieren. Seinen Beruf gibt er auf, als er Bilder davon macht, wie sein neuer Freund John über die Reling stürzt. An sich eine klasse Idee, aber ich hätte mir noch mehr Kapitel über die Zeit danach gewünscht. Die Geschichte in sich selbst ist geschlossen, aber sie stützt sich mehr auf das Vorleben Johns vor der Expedition und die Geschehnisse auf dem Schiff als auf Clemens weiteres Leben.

Aufbau: Der Roman besteht aus einer Eingangsszene in der Gegenwart und erzählt daraufhin in wechselnden Rückblenden die Geschehnisse auf dem Expeditionsschiff sowie die Vergangenheit von John. Die Kapitelübergänge sind gut gemacht. Oft geschieht oder sagt einer der Protagonisten etwas überraschendes oder etwas, das Fragen aufwirft. So wird man aufs Weiterlesen neugierig gestimmt.

Protagonisten: Das erste Kapitel beginnt mit Clemens, dem Fotografen, und seiner Psychotherapeutin, im Gespräch mit den vergangenen Ereignissen. In den folgenden Kapitel wird Clemens aber zur Nebenfigur, was ich sehr schade fand, weil er mir sympathischer als John, der Hauptprotagonist, war. Nicht, weil John gebrochen ist, sondern durch seine Art und wie der Erzähler ihn darstellt. Er wirkt besserwisserisch und verwendet – zwar selten – komplizierte Sätze mit Fachwörtern, die er dann im Nachhinein „übersetzt“. Diese Weise, sein Wissen darzubieten, nervte etwas. Bei einem Gespräch über Schlafmittel beispielsweise erkennt er, um welchen Stoff es sich handelt und zählt die chemische Ausdrucksweise „C21H23C1FN3O“ auf.

Schreibstil:
Der Erzähler legt sehr viel Wert auf die Sinneseindrücke. Durch seine detaillierten Beschreibungen kann man die Worte schmecken, fühlen und riechen. Der Blick wird auf Kleinigkeiten gelenkt, sodass eine bestimmte Atmosphäre entsteht: Die Beschreibungen wirken wie kurze Standbilder, die nacheinander aufgezeigt werden.
Nicht die Charaktere stehen im Vordergrund, sondern der Stil; die erzeugten Bilder. Nicht die Personen verursachen die Gefühle, sondern die Sprache.

Handlung: Es gab einige Logikfehler, die zwar auffielen, aber an der Gesamthandlung nichts änderten. Beispielsweise in einer Szene in einem Restaurant: John und Laura bestellen Bier. Der Kellner kommt, bringt aber Essen und dann bestellen sie erneut Bier, was jedoch so klingt, als würden sie die Getränke erst jetzt bestellen. Oder an einer anderen Stelle, als Clemens die Kajüte betritt, aber John eigentlich gerade noch derjenige war, der auf dem Weg dorthin war. Nun ist er es plötzlich, der sich bereits in der Kajüte befindet.

Fazit: 4/5 Schöne Idee, Umsetzung war okay. Und der Schreibstil haut alles raus: Ein Roman wie ein Fotobuch voll mit eindrücklichen Bildern.


Lieblingszitate:

„Ja ... ich versuche Situationen aus ihrem zeitlichen Kontext zu schneiden, sie gewissermaßen zu isolieren und zu konservieren. Was bleiben soll, ist das Bild. Dieser eine Moment. Er ist gefangen. Erst in der Kamera. Dann auf dem Rechner. In Magazinen. Auf Microstocks im Internet, immer aufrufbar, 24/7 Klicks.“

„Wenn Sie mich fragen, gibt es zwei Zeiten. [...] Die normale Zeit, also die, die unaufhaltsam verstreicht. [...] Und die andere Zeit. Die, die durchs Fotografieren eingefroren und unveränderlich geworden ist. Die ablaufende Zeit hat wenig mit der Zeit zu tun, die stillgelegt worden ist. Es gibt Wasser und Eis. Die Substanz ist dieselbe, was sich geändert hat, ist ihre Beschaffenheit. Ein Bild ist der Aggregatwechsel eines Moments.“

„Das Leben ist ein unruhiges Meer, bedroht von Stürmen und den Wellen des Egoismus. Von den Strudeln der Angst und der Finsternis.“

„Die Stille des Eises [...] Sie ist so schön und verlockend, dass ich sie manchmal fürchte.“

„»Was meinst du damit?« [...] »Dass Berlin keine eigene Stimmung erzeugt. Es verstärkt nur die Stimmung, in der man sich befindet. Wenn es mir gut geht, dann sehe ich all die super Sachen, die du hier machen kannst. Und den blauen Himmel ... und die lachenden Kinder da drüben. Wenn es mir nicht gut geht, sehe ich die Kinder, die jetzt weinen und schon immer geweint haben, und wenn sie vielleicht doch lachen, dann nur, weil sie noch nicht wissen, was sie noch alles erwartet. Und dann sehe ich die abgefucktesten Leute der gesamten Republik, ein ganzes Heer von ihnen, von der Stadt gefressen und zerkaut.«“


Gespräche aus der Community

Bisher gibt es noch keine Gespräche aus der Community zum Buch. Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Welche Genres erwarten dich?

Community-Statistik

in 12 Bibliotheken

auf 4 Merkzettel

Worüber schreibt Manuel Niedermeier?

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks