Wenn man (wie ich zur Zeit) in einem mittelschweren Reading Slump steckt, ist ja weniges angenehmer als die Lektüre einer richtig schönen Graphic Novel. So sagt man, wenn man als erwachsene Person noch Comics lesen, sich dabei aber trotzdem möglichst intellektuell fühlen will. "Graphic Novel".
"Hypericum" von Manuele Fior kam mir also mehr als gelegen. Die zielstrebige Teresa kommt aus Italien in das Berlin der Nachwendezeit, um einen Job im Museum anzutreten. In allem, was sie tut, ist sie bisher die beste gewesen - entsprechend gewissenhaft bereitet sie sich auf die Ausstellung zum Grab Tutanchamuns vor, die sie in den kommenden Monaten begleiten wird. Außerdem trifft sie Ruben, einen etwas verwahrlosten, linken Künstler, der von Zielstrebigkeit nicht besonders viel hält.
In zwei Zeitsträngen begleiten wir Teresa auf ihrem Weg durch Berlin und eine turbulente Romanze, und Howard Carter hinein in das Grab des Pharaos.
Ich will ehrlich sein: Die Story selbst konnte mich nicht so recht mitreißen. Klar, Themen und Settings sind spannend, aber die Charaktere bleiben in diesem eher kurzen Buch zu flach, um sie wirklich lieben lernen zu können. Wenn ich mir aber die restlichen Arbeiten von Manuele Fior so anschaue, glaube ich, dass der Kunststil hier über alles hinwegtröstet. Selten habe ich eine so schöne Graphic Novel gelesen - am liebsten würde ich mir jeden zweiten Frame in Postergröße ausdrucken und an die Wand hängen, thank you very much.
Wer also Bock hat auf ein bisschen altes Ägypten und alternative Berliner Szene um die Jahrtausendwende, der ist in "Hypericum" bestens aufgehoben. Ich hab's gern gelesen, und ich glaube, ein paar von euch würden's feiern.
Ein dickes Danke an den Avant Verlag für das Rezensionsexemplar!