Was tun, wenn das Leben einem Zitronen gibt, man daraus aber nicht immer Limonade machen kann? Diese Frage stellt sich der 32-jährige Autor Nicolas Cambril. Als Kinderbuchautor hat er vor Jahren einen Bestseller gelandet – seither hat er eine Schreibblockade und auch sonst läuft in seinem Leben nicht alles rund. Seine Mutter erkrankt an Alzheimer, er haust in einer staubigen Mansarde und hält sich mit einem Job beim Sicherheitsdienst der Pariser Metro über Wasser. Aber um eines ist er zu beneiden: Er hat gute Freunde, deren Glück ihm am Herzen liegt. Überhaupt stellt Nicolas das Glück anderer stets über sein eigenes.
"Nur dass das Leben einem nicht immer nur Steine in den Weg legt, sondern manchmal auch für schöne Überraschungen gut ist. Glücklicherweise!“ (S. 23)
Dies ändert sich, als er in der Überwachungsstelle der Metro auf dem Monitor am Bahnsteig der Metrostation Concorde eine junge Frau in einem safrangelben Mantel entdeckt, in die er sich sofort unsterblich verliebt. Wer ist die geheimnisvolle Schöne, die nicht nur traurig zu sein scheint, sondern auch rätselhafte Notizen und Bleistiftskizzen in Papierkörben hinterlässt? Nicolas ist vom ersten Moment an fasziniert und gewinnt neue Schaffenskraft, denn die Botschaften der zauberhaften Unbekannten inspirieren ihn zum Schreiben. Zum ersten Mal denkt Nico jetzt an sich und setzt alles daran, die junge Frau aus der Metro zu finden …
"Ich musste sie kennenlernen, sie berühren, mit ihr reden, ihr sagen, dass sie für immer bei mir bleiben sollte, dass mit mir ihr Leben besser wäre, dass ich für sie lernen würde, Schokoladenkekse zu backen […] und alles tun würde, um sie glücklich zu machen.“ (S. 127)
Der Roman von María Jeunet lässt sich vielfach treffend beschreiben und ist dennoch mehr als das: Er beinhaltet eine bezaubernde Liebesgeschichte, liest sich wie ein modernes Märchen, hat gleichzeitig Tiefgang, erzählt über den Wert, gute Freunde und eine funktionierende Familie zu haben und ist zugleich eine Hommage auf Paris mit all seinem Flair.
Die Autorin schafft es, die Leser*innen in eine hoffnungslos romantische Geschichte zu entführen, in der man am liebsten verweilen möchte, weil man sich darin einfach wohlfühlt.
Zudem bekommt man schnell das Gefühl, als würde man Nico schon lange kennen, was vielleicht daran liegt, dass jede*r sich mit Nico identifizieren kann, der von seinem Leben in allen Facetten erzählt und Höhen und Tiefen beschreibt, die wir alle kennen. Überhaupt ist der Ich-Erzähler und Protagonist Nicolas Cambril erfrischend sympathisch. Mitzuerleben, wie er die Menschen in seinem Umfeld glücklich macht, macht Spaß – gleichzeitig wünscht man sich für ihn und seine große Liebe aus der Metro das Happy End, welches sich jedoch nicht schnell einstellt und mit manch einer überraschenden Wendung gerechnet werden muss …
Der Roman ist in leicht verständlicher Sprache so geschrieben, sodass man gar nicht aufhören möchte zu lesen. Von Episode zu Episode möchte man wissen, wie es mit Nico und seinen Freunden – alle durchweg liebenswert gezeichnet, sodass der Roman auch in den Nebenschauplätzen überzeugt – weitergeht.
Die Geschichte stimmt überwiegend fröhlich – bisweilen nachdenklich – manchmal traurig – am Ende jedoch zaubert sie ein Lächeln ins Gesicht. „Das Mädchen aus der Metro“ ist einer der schönsten Romane, den ich in den letzten Jahren gelesen habe!