Alles, was ich bei „The Circle“ vermisst habe – eine intelligente, unterhaltsame Realsatire!
von DieBuchkolumnistin
Kurzmeinung: Grandiose Überspitzung unserer Digitalgesellschaft, gekrönt vom üblichen Kling-Humor sowie einer Prise Moral - bestes Infotainment!
Rezension
„Wenn ganze Scharen von Menschen ihren Lebensunterhalt dadurch bestreiten können, dass sie sich reißerische Falschmeldungen ausdenken, durch die sie arme Trottel zum Betrachten der bei ihnen geschalteten Werbung ködern – dann muss man doch mal zugeben, dass hier etwas fundamental schiefgelaufen ist.“
Gehörig schiefgelaufen ist auch das Leben von Peter Arbeitsloser. Den Nachnamen hat er vom Beruf des Vaters übernommen, die Schrottpresse vom Großvater – nur Ehrgeiz, Vermögen oder gute Beziehungen gab es nicht zu vererben und so ist Peters RateMe-Rang leider inzwischen einstellig, die Zukunft am Rande bis Bodensatz der Gesellschaft (Vorsicht, Wortwitz is coming) „vorprogrammiert“. Statt mit einer Freundin unterhält er sich am Abend mit aussortierten Robotern, die an ihrer künstlichen Intelligenz ebenso gescheitert sind wie Peter an seiner natürlichen. Die Welt um ihn herum war nie einfacher und zugleich komplexer, jedes Verhalten wird von Algorithmen bestimmt und getriggert, jeder freie Wille eigentlich von Gamification-Systemen ausgetrickst, die Selbstoptimierung treibt Mensch und Maschine bis kurz vor den Herzinfarkt und wer nicht mitmacht, fällt ebenso aus dem System wie aus der Gesellschaft. Peter sieht alle Nachteile, ist für aktiven Widerstand aber bisher schlichtweg zu faul. Bis, ja bis ihm eines Tages vom Algorithmus des weltgrößten Versandhändlers „The Shop“ als Folge seiner angeblichen Interessen eine ebenso unerwartete wie unpassende Lieferung gemacht wird und endlich seinen Heldenmut weckt …
Marc-Uwe Kling hat mit seinem Roman „Qualityland“ eine ebenso witzige, stellenweise alberne wie gesellschaftskritische Realsatire geschaffen, die von den aktuellen Zuständen im Bereich Alltagsdigitalisierung eigentlich gar nicht mehr so weit entfernt scheint. Wie eine unterhaltsame & kluge Mischung aus Douglas Adams und George Orwell liest sich der Roman, der sämtliche aktuelle Trendthemen wie Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Fake News, Data Science, Nudging, Gamification uvm. auf ihre Vor- als auch Nachteile abklopft und auf „DAU“-Niveau runterbricht, ebenso aktuelle politische Probleme satirisch einbindet. Einige deutliche Seitenhiebe auf die Entwicklungen im Literaturmarkt kann der Autor sich dann berufsbedingt nicht verkneifen, gleicht dies aber gemeinsam mit dem Verlag mit einer ausgesprochen schönen, stabilen und besonderen Herstellung des eigenen Printbuchs wieder aus bzw. zeigt selbst, wie es besser geht. Durch die besondere Pappbindung gibt es unabhängig von der privaten Lesart keinerlei Beschädigungen des Rückens, die goldene Prägung samt Codekuss passt sehr gut zum Inhalt und die in gegenteiliger Farbgebung immer wieder eingeworfenen Fake-News sind eine abwechslungsreiche Ergänzung zum normalen Fließtext. Zudem gibt es zwei Ausgaben des Romans – eine in hellgrau für die Optimisten sowie in schwarz für die Pessimisten, mit nur minimalen Unterschieden, die auf der zum Buch gehörenden Webseite nachlesbar sind. Ein rundum gelungenes Paket für Kling- & Känguru-Fans, welches man im Idealfall auch gern live genießen sollte und neben allen Schenkelklopfern doch hoffentlich bei einigen Lesern ein Nachdenken sowie möglicherweise verändertes Handeln bewirkt.
P.S.: Eine persönliche Ergänzung der Rezensionsschreiberin – bitte bewerten Sie diese Besprechung, damit mein Expertisenrang steigt und bestätigen Sie dies mit „OK“. Diesbezügliche Zusammenhänge zum Inhalt des Romans sind rein zufällig.