Rezension zu "Die Offizierskammer" von Marc Dugain
Autor Marc Dugain beschreibt hier die Geschichte von Adrien Fournier, dessen Gesicht in den ersten Tages des Ersten Weltkrieges, noch bevor die Front „offiziell“ eröffnet worden ist, bei einem Aufklärungsritt von einer Granate bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt worden ist.
Adrien Fournier hat Glück (wenn man bei einer solchen Verletzung von Glück sprechen kann) und wird in das Pariser Hospital Val-de-Grâce nach Paris verlegt. Dort fristet er mit anderen Offizieren, deren Gesichter ebenfalls zerstört sind, ein Leben in der Abgeschiedenheit eines, Offizierskammer, genannten Krankenzimmer. Denn, militärische Ränge bestimmen auch die medizinische Versorgung und Unterbringung. Niedere Chargen werden in mit bis zu 50 Personen (über)belegten Krankensälen behandelt.
Während der fünf Jahre des Aufenthaltes muss sich Fournier zahlreicher Operationen unterziehen, sieht Kameraden kommen und gehen (sterben). Unter jenen, die mit Adrien Fournier das Zimmer teilen, befinden sich der jüdische Pilot Pierre Weil und der Bretone Henri Penanster. Sie werden Freunde fürs Leben.
Bei ihren ruhelosen Wanderungen durch das Krankenhaus, entdecken sie, dass in der kleiner Kammer am Ende des Ganges eine Frau mit einer schweren Gesichtsverletzung liegt: Marguerite, eine Krankenschwester, deren linke Gesichtshälfte bei einem Angriff auf ein Sanitätszelt zerstört worden ist. Sie wird in die Pokerrunde aufgenommen.
Meine Meinung:
Marc Dugain beschreibt in diesem beeindruckenden Buch das Leben seines Großvaters, den er ja nur mit seinem entstellten Gesicht kennt. Wie müssen/können diese Gespräche abgelaufen sein?
Dieses Buch ist eine Ergänzung zu dem Sachbuch „Horror der frühen Chirurgie“ von Lindsey Fitzharris. Während bei Fitzharris der Chirurg Harold Gillies und seine Kollegen im Vordergrund stehen, sind es hier die Schicksale der Verwundeten, die hier erzählt werden.
Dugain erzählt mit der nötigen Distanz, wie sich die drei kennenlernen, sich abgeschirmt von der Wirklichkeit, gegenseitig stützen, wie sie versuchen - mit mehr oder weniger Erfolg - Neuankömmlingen Mut zu machen.
Besonders interessant habe das Schicksal der Krankenschwester Marguerite, die als einzige einen Granatenangriff auf ein Sanitätszelt Ende 1915 schwer verletzt überlebt hat, gefunden. Wie viele Krankenschwestern und Helferinnen im Ersten Weltkrieg getötet oder verletzt worden sind, ist kaum bekannt. Ja, man weiß oft nicht einmal, dass Frauen auch direkt an der Front eingesetzt waren. Von Marie und Irene Curie ist bekannt, dass sie mit ihren mobilen Röntgengeräten die Versorgung Verwundeter gewährleistet haben.
Der weitere Lebensweg der Pokerrunde wird kurz besprochen. Die drei Männer heiraten und gründen eine Familie. Nur Marguerite bleibt unverheiratet.
Fazit:
Ein beeindruckendes Buch, dem ich gerne 5 Sterne gebe.