Cover des Buches Ach, Papa (ISBN: 9783518468128)
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Rezension zu Ach, Papa von Mareike Nieberding

Ach, Mareike - Wenn du dich doch nur NOCH besser reflektieren würdest!

von MrsFraser vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Falsche Vermarktung! Persönlicher Bericht, hält aber nicht das, was der Titel verspricht.

Rezension

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MrsFraservor 6 Jahren
Dieses Buch ist leider ein Paradebeispiel dafür, wie durch mangelnde Selbstreflektion und plakative Titelgebung das Cover mehr verspricht, als der Inhalt halten kann.

"Wie mein Vater und ich wieder zueinander fanden" verspricht einen tiefsitzenden Konflikt zwischen Vater und Tochter, der durch gewisse Anstrengungen überwunden wird. Die Teilnehmer der Leserunde waren sich aber zu einem Großteil einig: kein Konflikt weit und breit. Und auch die 'Anstrengungen' hielten sich in Grenzen. Ja - die Autorin und ihr Vater hatten sich eine Zeitlang nicht viel zu sagen und mussten sich beide an die voneinander getrennten Lebenswelten gewöhnen, aber wenn der Vater jedes Telefonat durchweg mit 'Ich liebe dich' beendet, kann von einer distanzierten Beziehung oder gar einem Konflikt in meinen Augen keine Rede sein. Und wenn ein gemeinsamer Ausflug übers Wochenende ohne jegliches offenes Gespräch über die Distanzierung schon reicht um alles wieder ins Lot zu bringen, sagt das auch etwas darüber aus, wie 'schlimm' die Lage denn war.

Was Mareike Nieberding in ihrem Buch berichtet ist nichtsdestotrotz hochinteressant und zutiefst persönlich. Durchzogen von Interviewblöcken mit ihrem Vater arbeitet sie sich durch ihre Familiengeschichte. Sie analysiert die Beziehung ihrer Eltern zu deren Eltern, das Verhältnis ihrer Eltern und Geschwister zueinander und interpretiert, erklärt, revidiert, wo und wie sie in diesem Geflecht ihren Platz fand und neu finden musste.
Als Familienbiographie ist 'Ach, Papa' grandios. Offen, ehrlich und mit einer großen Portion Selbstreflektion und -kritik. Das Buch ist eine Liebeserklärung an ihre Familie und eine Verbeugung vor deren Herausforderungen und den Herausforderungen einer Familie generell.

Die Frage ist nur, was der Leser von Mareikes persönlichem Bericht mitnehmen kann. Ich hatte mir Anregungen für das komplizierte Verhältnis zu meinem eigenen Vater gewünscht, musste aber feststellen, dass unser Konflikt in einer ganz anderen Liga spielt, als das, was die Autorin als problematisch empfindet. Insofern verursachte die Schilderung einer idyllischen, privilegierten Kindheit und einem freien, jedoch geerdeten Erwachsenenleben bei mir unverständiges Kopfschütteln und gleichsam wollte ich die Autorin schütteln, damit sie erkennt, was für ein Riesenglück sie hat.

Hätte die Autorin, die sich im Buch eigentlich durchweg überzeugend, selbstkritisch und intelligent selbst einzuschätzen vermochte, den Blick nur noch ein bisschen weiter schweifen lassen, hätte sie feststellen müssen, dass ihre 'Sprachlosigkeit' zwar für sie selbst belastend und ihre Überwindung ein großer Erfolg war, dass sie damit aber nur einen kleinen Zeh in das randvolle Becken von Vater-Tochter-Konflikten gesteckt hat und andere kaum etwas davon gewinnen, ihren Bericht zu lesen. Eine Bewerbung als Familienportrait hätte ich daher passender gefunden. Dann würden keine unerfüllbaren Erwartungen geschürt und der Leser könnte sich an und mit der Autorin über ihre sympathische Familie freuen.
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