Cover des Buches Hexensaat (ISBN: 9783641161439)
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Rezension zu Hexensaat von Margaret Atwood

Von Shakespeare & Company gäbe es 'Standing Ovations'

von Federfee vor 7 Jahren

Rezension

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Federfeevor 7 Jahren
Ich schicke voraus: mir gibt Shakespeare nichts und ich kann ein Theaterstück nicht wie einen Roman lesen, sondern muss es auf der Bühne sehen. Warum dann eine Adaption von Shakespeares 'Sturm' lesen? Weil sie von der großartigen Margaret Atwood geschrieben wurde. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Wer einfach nur einen gut geschriebenen Roman lesen will, bitte schön. Wer mehr möchte, tiefere Ebenen, der wird auch das finden. In diesem Roman steckt so viel, dass ein zweites oder gar drittes Lesen weitere bereichernde Entdeckungen bringen wird.

Felix, ein avantgardistischer Theaterregisseur, wird von seinem Partner Anthony grob und bösartig ausgebootet und aus dem Theaterbetrieb gedrängt. Entlassen. Nun steht er da, der alternde Mann, seine Frau ist gestorben und die Tochter kurz danach mit drei Jahren. Der Schmerz ist noch lange nicht verarbeitet und ausgerechnet in einer Neufassung vom 'Sturm' wollte er seine Tochter Miranda wieder aufleben lassen.

"Und was den Gipfel seiner Möglichkeiten anbetraf: Der Gipfel ist immer gefährlich. Vom Gipfel aus kann der Weg nur abwärts führen." (HC 20)

Er verschwindet ohne sich von irgendjemand zu verabschieden, verwischt planvoll seine Spuren und fristet jahrelang sein Dasein in einer primitiven Hütte irgendwo auf dem Land. Er hat nur noch zwei Ambitionen: seine 'Sturm'-Inszenierung zurückzubekommen und RACHE.

Eine Aufgabe gibt seinem Leben ein wenig Sinn: er arbeitet als Mr Duke mit Strafgefangenen sehr erfolgreich an der Umsetzung von Theaterstücken von Shakespeare, wobei es primär um die Verbesserung der Lese- und Schreibfähigkeiten geht. Mit großem pädagogischen Geschick bringt er die 'schweren Jungs' dazu, sich für Shakespeares Theater zu begeistern. Schon mit seiner Einführungsrede in den Kurs hat er 'die Truppe' am Haken. Nur wenige springen wieder ab und die Aufführungen - nicht live, sondern auf Video - sind jedes Mal ein großer Erfolg.

Wunderbar, wie er die Strafgefangenen begeistern kann. Nur ein Beispiel: Sie dürfen zwar fluchen, jedoch ausschließlich mit den von Shakespeare in dem jeweiligen Stück gebrauchten Wörtern. Die sind auch nicht ohne (Bastard, Hexenbalg), aber oft lustig (Kauz und Kröte über euch) und müssen erst mal erlesen und aufgeschrieben werden.

Felix' Kontrahenten – Anthony und die anderen Beteiligten – sind inzwischen skrupellos die Karriereleiter weiter hoch geklettert. Felix hält sich über das Internet auf dem Laufenden:

"Er hatte beobachtet, wie Tony Sals Beispiel gefolgt und in der Bundespolitik untergeschlüpft war, wo die Ernte reichhaltiger und die Veranstaltungen prestigeträchtiger waren." (HC 78)

Klar, dass Margaret Atwood diese Chance zu kritischen Anmerkungen zu Politikern nicht ungenutzt hat verstreichen lassen. Als die Minister vorhaben, das Gefängnis zu besuchen und sich die ungewöhnliche Theatermethode anzuschauen, ergibt sich nach so vielen Jahren für Felix eine Möglichkeit, seine Rachegedanken in die Tat umzusetzen.

Es bleibt spannend: Wird er es schaffen, sich zu rächen? Was wird er machen? Wie schlimm wird es werden? Wird er seine Trauer um seine Tochter überwinden? Wird auch dieses Theaterstück ein Erfolg?

Die Antworten sind im Buch zu finden, das quasi ein Theaterstück im Roman beinhaltet, so wie Felix über einen Schauspieler sagt: "Ein Hochstapler, der einen Schauspieler spielt. Ein doppelter Irrealis." (HC 199).

Die Sprache ist zwar einfach, aber hat es trotzdem in sich. Da fallen so schöne Sätze wie: "Der Fußboden ist grau, aus einem Belag, der wie Granit aussehen möchte, es aber nicht schafft." (HC 86)

Man muss den 'Sturm' von Shakespeare nicht gelesen haben. Wer will, findet hinten im Buch eine inhaltliche Zusammenfassung.

Nicht zuletzt ein Wort zum Cover, zum Schutzumschlag, der in seiner vorwiegend schwarzen Gestaltung sehr auffällig wirkt. Ich finde immer, eine liebevolle Gestaltung hat auch Erwähnung verdient, hier besonders die inneren Seiten, die raffiniert mit schwarz-weiß-roten Müsterchen versehen sind, Bildchen in Wiederholung, toll gemacht.

Kurz: ich bin begeistert und habe dieses Buch mit großem Genuss gelesen.

Wer mehr über das Shakespeare-Projekt wissen möchte: http://shakespeare-projekt.de/
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