Cover des Buches Das Meer am Morgen (ISBN: 9783832162603)
Rezension zu Das Meer am Morgen von Margaret Mazzantini

Ein Stück italienische Kolonialgeschichte, die einen erzittern lässt

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Ein sehr mutiges Buch über ein Italien, dass einen die leckere Pasta vergessen lässt, weil man sich für dieses Land beim Lesen schämt

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 9 Jahren

Diese Geschichte kommt in einem sehr schmalem Buch daher, auf die ich allein nie gestoßen wäre. Die neue Leseliste der Literaturkreise beginnt mit dieser Erzählung der gebürtigen Irin Margaret Mazzantini, die einen italienischen Namen trägt und auch in Rom lebt. Auf knappen 130 Seiten entfacht sie ein sprachliches und inhaltliches Feuerwerk, denn sie serviert keine leichte Kost. Erschienen ist ihr Buch im Dumont-Verlag, der damit ein sehr mutiges Thema aufgreift, denn es geht um die ehemalige italienische Kolonie Libyen.

1911 übernimmt Italien Libyen als Kolonie, verliert diese 1960, verbündet sich jedoch mit dem neuen König, um die alten kolonialen Rechte nicht zu verlieren und selbst, als Gaddafi die Macht 1969 übernimmt, versucht sich Italien die Energiereserven der alten Kolonie zu sichern, indem sie mit dem libyschen Diktator einen Freundschaftsvertrag schließen. Zuerst schickt man Teile der italienischen Bevölkerung in die Kolonie, als Gaddafi sie zurück zwingt, will man keine Verantwortung übernehmen und überlässt die Zwangsrückkehrer sich selbst und ihrem Schicksal.

Vor diesem Hintergrund lernt der Leser auf der einen Seite Farid und seine Mutter Jamila kennen, die sich im Jahre 2011 auf der Flucht vor Gaddafis Truppen befinden, die sich amerikanischen NATO-Truppen gegenüber sehen und versuchen wüst dagegen zu halten. Omar, Farids Vater, verliert dabei sein Leben.

Auf der anderen Seite begegnet uns im gleichen Jahr in Italien der 18-jährige Vito. Er ist der Sohn von Angelina, die in Lybien als Tochter gebürtiger und weggeschickter Italiener aufwuchs und 11 Jahre lang eine Araberin war. Doch das darf sie nicht bleiben, denn Gaddafi will die Europäer aus seinem Unrechtsstaat haben und so kommt es, dass ihre Familie nach Italien flieht. Dort finden Sie sich nie richtig ein, denn sie wurden der Heimat beraubt. Vito ist in Italien geboren und trägt doch schwer an der Last seiner Familie.

Diese beiden Jungen lernt der Leser kennen und mit ihnen deren Lebensgeschichten, wobei der inhaltliche Schwerpunkt auf Vitos Familie liegt und Farids Geschichte als Rahmen dient. Die Autorin arbeitet mit sehr vielen Vergleichen, Tieren als Vorboten und einem Stil, der einen fesselt. Das ist kein leichtes Buch, ich musste viel nachschlagen, aber das war es mir wert, denn ich hatte seit langem einmal wieder einen echten Bildungszugewinn. M. Mazzantini drückt nicht auf die Tränendrüsen, sie stellt dar, präsentiert - und das alles sehr wertfrei.

Sehr empfehlenswert.

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