Margherita Giacobino

 4,5 Sterne bei 4 Bewertungen

Lebenslauf

Margherita Giacobino, geboren 1952, lebt als Schriftstellerin, Übersetzerin und Regisseurin in Turin. Sie übersetzte u.a. Werke von Emily Brontë und Gustave Flaubert ins Italienische. In Deutschland wurde sie vor allem mit ihrem Roman Hausfrauen in der Hölle und der literarischen Travestie Elinor Rigby – Eine Amerikanerin in Paris bekannt.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Margherita Giacobino

Cover des Buches Familienbild mit dickem Kind (ISBN: 9783956141195)

Familienbild mit dickem Kind

 (3)
Erschienen am 24.08.2016
Cover des Buches Hausfrauen in der Hölle (ISBN: 9783888971716)

Hausfrauen in der Hölle

 (1)
Erschienen am 01.02.1998

Neue Rezensionen zu Margherita Giacobino

Cover des Buches Familienbild mit dickem Kind (ISBN: 9783956141195)
W

Rezension zu "Familienbild mit dickem Kind" von Margherita Giacobino

Ein leider bisher viel zu wenig beachteter Roman
WinfriedStanzickvor 7 Jahren


Um die insgesamt vierbändige „Napolitanische Saga“ der Napolitanerin  Elena Ferrante, deren zweiter Band im Januar 2017 bei Suhrkamp erscheint (die Bände drei und vier folgen noch im Jahr 2017) gab es in den letzten Monaten eine erregte Debatte, die sich leider manchmal mehr um die Aufdeckung des Pseudonyms drehte, unter dem die Autorin schreibt als um die literarische Qualität der Bücher.
Die ganze Reihe ist von der Literaturkritik gelobt worden, wie ich finde zu Recht. Ich halte es für ein mit großer Kraft geschriebenes Meisterwerk über die große Macht und Kraft einer lebenslangen Freundschaft.

Ich war atemlos begeistert von diesem auch sprachlich anspruchsvollen Buch.

Doch nicht weniger begeistert – und deshalb setze ich es in eine Beziehung – war ich von dem hier anzuzeigenden Buch der in Turin lebenden Schriftstellerin und Regisseurin Margherita Giacobino, das unter dem Titel „Familienbild mit dickem Kind“ bei Kunstmann erschienen ist.

Ebenso autobiographisch geprägt und authentisch wie Ferrantes Saga, erzählt sie eine mehr als ein Jahrhundert umspannende Familiengeschichte aus Piemont. Ein altes Familienbild steht am Anfang:
„Ich sehe dieses Bild wie durch fließendes Wasser. Wer waren diese Frauen und Männer wirklich? Waren sie so rau und streng, wie sie aussahen? Liebten oder ertrugen sie sich? Was würden sie erzählen, wenn sie die Gewohnheit hätten, von sich zu erzählen, die ihnen gewiss fehlt?“

Immer waren da die Frauen, die Margherita schon als Kind um sich hatte und die sie ausdrucksvoll charakterisiert, Tanten und Großtanten, die die Familie am Laufen hielten, während die Männer oft weit weg waren um Geld zu verdienen. Da ist die sanfte Polonia, die als Hebamme alle im Dorf auf die Welt gebracht hat, Michin, die Seelenverwandte mit dem scharfen Witz, die schon als junges Mädchen mit ihren Schwestern in die Fabrik arbeiten geht, und vor allem Ninin.
Großtante Ninin ist die Konstante in dieser Familiensaga. Ihr setzt die Autorin ein besonderes Denkmal, da sie drei Generationen erzogen hat und eine prägende Gestalt in ihrem eigenen Leben war. Nach dem Tod der Mutter hatte Ninin für ihre Geschwister gesorgt.
Nachdem Ninins Schwester in die USA ausgewandert war und deren Tochter Maria, die spätere Mutter der Autorin, als Waise in das Heimatdorf ihrer Eltern zurückkehrte, nahm sich Ninin auch dieses Kindes an. Auch die Autorin selbst wird hauptsächlich von Ninin groß gezogen, weil die Mutter - bei einem spiel- und alkoholsüchtigen Vater - für die Familie sorgen muss. Die Autorin erzählt die verschiedenen Abschnitte ihres Lebens jeweils passend aus der Sicht des Kindes, der Heranwachsenden und später aus der Rückschau der Erwachsenen, die über ihre Heimat und die Menschen, die sie prägten, dankbar nachdenkt.

Das Buch ist eine Hommage der Autorin an die emanzipierten Frauen ihrer Familie und an das Bergdorf im Piemont ihrer Kindheit. Aus der Begegnung mit diesen Frauen und auch ihren Eltern, für die sie ein urteilsfreies Verständnis zu finden sucht, rekapituliert sie ihr eigenes Leben heute.
Ein leider bisher viel zu wenig beachteter Roman, der den Vergleich mit Ferrantes Büchern nicht zu scheuen braucht.














Cover des Buches Familienbild mit dickem Kind (ISBN: 9783956141195)
JulesBarroiss avatar

Rezension zu "Familienbild mit dickem Kind" von Margherita Giacobino

Ammi mi povera donna - Ach ich arme Frau
JulesBarroisvor 8 Jahren

Ammi mi povera donna – Ach, ich arme Frau


Familienbild mit dickem Kind - Margherita Giacobino (Autorin), 320 Seiten, Verlag Antje Kunstmann GmbH; Auflage: 1 (24. August 2016), 22 €, ISBN-13: 978-3956141195


Canavese, „eine Gegend des Piemont mit ungewissen Grenzen, ungewissen Zugehörigkeiten“ (Seite 21). Hier spielt die Familiensaga von Margherita Giacobino, die Geschichte einer jener Familien, die nach Tolstoi „unglücklich auf ihre eigene Weise sind.“

Wer schon einmal in dieser Gegend war, oder sonst wo im Piemont, der wird sie aus Restaurants und Hotels kennen, diese alten Familienfotos an den Wänden aus der Zeit um 1900: Niemand lächelt. Stolze, trotzige, herrische Männer mit Schnauzbart und Hut. Vorzeitig gealterte Frauen, tragisch und ausdruckslos. Kinder mit weit aufgerissenen Augen in den überraschten Gesichtern. Nirgends eine Spur von Wohlwollen. (siehe auch Seite 9)

Und ein solches imaginäre Bild diente der Autorin als Ausgangspunkt ihrer eigenen Familiengeschichte. Wie ein übervoller Banketttisch so präsentiert sich dieser Roman. Sie verlässt die lineare Zeitschiene, von den Anfängen bis heute. Von der Urgroßmutter bis zur Nichte. Alle Geschichten sind gleichzeitig vorhanden und Margherita Giacobino lässt uns entlanggleiten und regt von Seite zu Seite unseren Appetit auf mehr an: kleine Häppchen, großzügige Schlucke ergeben am Ende ein komplettes Porträt. Trotzdem finden wir als Leser es schade, dass es aufhört. Wir sind immer noch hungrig, begierig, um mehr zu erfahren.

Die Geschichte beginnt im späten neunzehnten Jahrhundert in einem Bauernhaus der Canavese, in dem alle zusammen leben, Jung und Alt. Und alle unterliegen den Gesetzen der Tradition. „Ihr Sakrament wird die Arbeit sein, ihre Religion die Pflicht.“ (Seite 12)

Die Protagonisten sind Frauen, einfache Frauen, kantig, wild und mutig, ein wenig wie Hexen. Da ist die Magna Ninin, Schwester der Großmutter, ihre Schwestern Michin (Domenica), Margherita und Maria, die Lustige: Lachen „ist ein Luxus, den sich jeder leisten kann.“ (Seite 105). Stark und entschlossen verwalteten sie das Leben von Kindern, Männern und den Älteren. Und ohne ihren besonderen Humor hätten sie alle wohl nicht überlebt.

Margherita Giacobino keine triviale Rekonstruktion einer Nostalgie. Nein. Das Buch ist getragen von Empathie, von einem Gefühl Situationen und Charaktere vor uns erscheinen zu lassen, die unvergleichlich ist. Sie verfolgt das Leben in all seinen Erscheinungsformen, lässt es in unsere Welt einfließen.

Wie alle Familiengeschichten, die mehrere Generationen umfassen, kann als einfache Geschichte von Menschen gelesen werden. Oder stattdessen als ein Kompendium der italienischen Geschichte ab Ende des 19. Jahrhundert: Der Abstieg aus den Bergen in die Stadt, den Übergang vom Land in die Fabrik, dann aus der Fabrik in den Laden. Die temporären Emigrationen nach Frankreich und letztlich nach Amerika. Internierung in Deutschland und Rückkehr nach Italien. Der plötzliche Reichtum in den 60-er Jahren. Mehr als in vielen anderen Bücher findet jeder, was er will. Es gibt alles.

Margherita Giacobino hat uns ein ansprechendes, sehr intensives Buch geschenkt, einen Roman von großer Reife. Sie erzählt in ihren Charakteren eine persönliche und kollektive Geschichte von einer Welt, die von den inneren Dimensionen bestimmt ist. Es ist eine tiefe Reflexion über Beziehungen, Identitäten, Nähe und Trennung, Vertrauen und Liebe – ein Weg zur Selbsterkenntnis

Sie schreibt nachdenklich und ungestüm zugleich, manchmal lyrisch, von großer Schönheit. Nichts ist idealisiert. Sie schreibt mit einer Klarheit, die nicht die Augen vor den Verzerrungen und der Gewalt der Geschichte verschließt. Der ungleichen Beziehung zwischen Männern und Frauen, der Ungerechtigkeit der Armut und vor allem der Fähigkeit, sich von all dem durch den Mut zu Entscheidungen zu befreien, all dem verleiht die Autorin eine Sprache. Sie schafft diese kühne Verbindung zwischen Imagination und Reflexion.

Gehen Sie als Leser mit diesem auf eine Reise. So können auch Sie ihre eigenen Wurzeln erkennen und lernen, sich zu bewegen, zu denken und zu hinterfragen.


Hier geht es direkt zum Buch auf der Seite des Antje Kunstmann Verlages

http://www.kunstmann.de/titel-0-0/familienbild_mit_dickem_kind-1137/

Fragen Sie in Ihrer örtlichen Buchhandlung nach diesem Buch. Wenn Sie in meiner Gegend „Landkreis Merzig-Wadern“ leben, dann wenden Sie sich an die Rote Zora: http://www.rotezora.de


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