Rezension zu "Ein neuer Himmel" von Margit Steinborn
"Ich, Johannes, sah einen neuen Himmel und eine neue Erde". Das sind die letzten Worte des Romans.
Pfarrer Petersen ist voller Zuversicht als er die Stelle aus der Offenbarung des Johannes am 8. August 1952 in Berlin Plötzensee wiedergibt.
Dieser feste Glaube zieht sich durch das ganze Buch und macht das Ende vorhersehbar, auch wenn Margit Steinborn ihre Figuren zwischendrin leiden und zweifeln lässt. Es ist der christliche Glaube, der hier den Ton angibt, obwohl ihre Hauptfigur, Hannah Rosenberg Jüdin ist.
Vom Judentum erfährt der Leser hier fast gar nichts. Hannah übt ihre Religion nicht (mehr) aus, was die Autorin hauptsächlich mit den politischen Umständen erklärt, aber auch auf ihre gemischte Erziehung verweist. Hannahs Großmutter war Katholikin, der Großvater Jude.
Peter Hagen, Doktorand der Rechtswissenschaften aus angesehenem Hause, verliebt sich in die jüdische Geigenlehrerin seiner Schwester und zeugt mit ihr ein Kind. Er heiratet aber 1935 Clarissa von Schönwald der Aufstiegschancen und des Geldes wegen.
Die Gedanken an Hannah bleiben und noch mehr die Gefühle für sie. Deshalb warnt Peter sie vor den Pogromen im November 1938, erkennt aber in ihrem Kind nicht seine Tochter.
Auf dem fiktiven Sandnerhof in Erlenthal bei Würzburg finden Hannah und Melina eine neue Heimat, aus der sie aber ebenfalls fliehen müssen, wobei ihnen Pfarrer Petersen behilflich ist. Die Flucht misslingt. Hannah kommt nach Auschwitz, die Tochter Melina wird von einem fremden Ehepaar aufgenommen.
Am Ende betreten die Beteiligten mit gemischten Gefühlen die Hinrichtungsstätte in Plötzensee. Hier starb Peter, der in führender Position im Reichssicherheitshauptamt für die Verfolgung der Juden und auch für deren Vernichtung mitverantwortlich war, aber dann, Hannahs und seiner Tochter wegen, sich den Verschwörern um Oberst Graf von Stauffenberg anschloss.
Für meinen Geschmack gibt es im Roman zu viele Wendungen zum Positiven, was der damaligen Realität widerspricht ... und auch der gegenwärtigen.
"Und ich sah einen Engel vom Himmel herabsteigen, der hatte den Schlüssel des Abgrunds und eine große Kette in seiner Hand. Und er ergriff den Drachen (...) und legte ihn in Fesseln für tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund und schloss über ihm zu und legte ein Siegel an, damit er die Völker nicht mehr verführe, bis die tausend Jahre vollendet wären. Danach musste er auf kurze Zeit losgelassen werden."
Diesem Zitat aus der Offenbarung des Johannes, mit welchem Steinborn den Roman einleitet, kann ich nicht folgen. Meiner Meinung nach geht es nicht darum, den Drachen von Zeit zu Zeit zu erdulden und darauf zu vertrauen, dass er dann durch göttliche Fügung wieder eingesperrt wird, sondern Widerstand zu leisten und wo das nicht möglich ist, im Leid einen Sinn zu suchen und zu finden.
Victor E. Frankls Buch "Trotzdem Ja zum Leben sagen - Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager" weist in diese Richtung und auch im Roman "Ein neuer Himmel" wird angedeutet, dass es selbst im Lager, im größten Leid, ein Leben gibt.
Bei Steinborn ist es die Musik und an anderer Stelle im Roman die bildende Kunst, die dieses Ja zum Ausdruck bringen. Manchmal schimmert auch die Freude an der Natur durch.
Steinborns Botschaften sind eindeutig. Ein Aufruf zur christlichen Nächstenliebe und zur Hoffnung.
Auf Schnörkel verzichtet sie. So liest sich das Buch flüssig und mit den historischen Fakten manchmal wie ein Bericht.
Ich danke der Autoren herzlich für ihre Sichtweise der Geschichte.
Vera Seidl