Rezension zu "memo Wissen entdecken. Schmetterlinge" von Paul Whalley
Meinung
Das denkt sich einer der vielen Mitarbeiter, die auf dem Ausklappposter, das man am Ende des Buches vorfindet, an der "menschlichen Fabrik" herumwuseln. Dieses Poster sollte man sich unbedingt zuerst ansehen, denn sonst verliert man leicht den Überblick.
Und genau das ist das Manko an diesem sehr schönen Buch: Selbst als Erwachsener hat man Probleme, sich in dem ganzen Gewirr zurechtzufinden. Die Idee, den menschlichen Körper als große Fabrik darzustellen ist nicht neu. Ganz im Gegenteil: Das ist das Denkmodell der modernen Medizin, das in diesem Kinderbuch als Vorlage benutzt wird.
Im Stile eines Wimmelbuches wird hier der menschliche Körper als eine riesige Anlage dargestellt, an der viele kleine Mitarbeiter herumfummeln, sie reparieren, putzen, pflegen und warten. Natürlich ist das für Kinder überraschend, lehrreich und sicher auch spannend. Aber es kann auch erschlagen. Auf mich wirkten viele Bilder überladen, und es fiel mir schwer, mich zu orientieren. Aber vielleicht sehen Kinder, die die Funktionsweise der einzelnen Organe noch nicht kennen, das Ganze völlig anders und wesentlich entspannter, weil es für sie eben nicht verfremdet, sondern vielleicht lustig wirkt.
Lernen kann man auf jeden Fall sehr viel aus diesem Buch. Und das spielerisch. Mich faszinieren immer wieder die Altersangaben, die Verlage für die Zielgruppe solcher Bücher angeben. Hier sind es Acht- bis Zehnjährige. Wenigstens im unteren Bereich sollten diese Kinder dann aber ein gewisses Interesse für dieses Thema zeigen und sehr gute Schüler sein. Denn den kleinen Mitarbeitern, die überall im menschlichen Körper arbeiten, werden Informationskästen zugeordnet, in denen wichtige Dinge stehen
Beispielsweise wird im Kapitel "Fortpflanzung" der weibliche Menstruationszyklus erklärt. Man lernt viel über männliche und weibliche Hormone und Funktionsweise der Geschlechtsorgane und die Schwangerschaft. Rein "technisch" gesehen hat man es also hier unter anderem auch mit einem Aufklärungsbuch zu tun.
Früher versuchten Kinderbuchautoren Zusammenhänge zu vereinfachen: Sie ließen Dinge weg und reduzierten Funktionsweisen oder Zusammenhänge aufs Wesentliche. Das ist hier etwas anders. Offenbar hat sich ein gegenteiliges Konzept durchgesetzt. Es wird möglichst viel auf geringer Fläche angeboten und versucht, durch viel Gewimmel und Verfremdung die Aufmerksamkeit zu erreichen. Die Kinder sollen nicht durch Systematik lernen, sondern durch spielerische Erforschung der Bilder. Allerdings setzt das dann voraus, dass sie ihre Aufmerksamkeit lange auf einem relativ hohen Niveau halten können.
Alles in allem ist das ein tolles, aber auch sehr anspruchsvolles Buch.
Für Martin Knowelden gab es offenbar nichts Schöneres, als mit seinem Skizzenbuch in der Natur zu sitzen und das Leben um ihn herum zu zeichnen. Das erfahren wir aus dem kurzen Vorwort. Und wenn man sich die Zeichnungen in diesem Buch aufmerksam ansieht und die erklärenden Texte liest, dann glaubt man das gerne. Denn Knowelden konnte nicht nur hervorragend zeichnen, sondern auch Zusammenhänge, die er bei seinen Beobachtungen oder danach erfuhr sehr verständlich weitergeben. Er macht das so gut, dass man seine Begeisterung und Leidenschaft aus seinem Werk heraus spürt.
Zwar besteht nach Verlagsangaben die Zielgruppe für dieses Buch aus Zehn- bis Zwölfjährigen, aber das erscheint mir eher als Angabe für ein Mindestalter. Nach einer kurzen Einleitung findet man folgende Abschnitte: Haustiere (Hunde, Katzen), Kulturfolger (Waschbären, Füchse, Igel Eichhörnchen), Soziale Tiere (Nacktmulle, Präriehunde, Paviane, Ameisen), Spezialisten (Fledermäuse, Kolibris, Schwärmer, Mauersegler, Rennmäuse, Kühe, Rehe), Wanderer (Büffel, Finken, Tauben, Kuckucke), Überwinterung (Bären, Kojoten), Opportunisten (Geier), Anpassung (Wale, Krokodile), Beutefang (Wölfe, Rentiere, Schlangen, Greifvögel, Spinnen).
Das Buch ist edel angelegt, der Druck hochwertig. Jeder Abschnitt beginnt mit einer Frage oder einer Feststellung (z.B. "Warum sind Rentiere und Wölfe für ihr Überleben gleichermaßen aufeinander angewiesen?"). Dann folgt ein wenigstens eine Seite langer Text, der oft von wirklich schönen Zeichnungen unterbrochen wird. Auch als Erwachsener kann man aus diesem Buch noch einiges lernen. So habe ich beispielsweise endlich verstanden, warum sich jedes Jahr für manche Menschen beängstigend viele Flugameisen auf meiner Terrasse sammeln.
Auch andere Verhaltensweisen von Tieren, von denen man schon mal gehört hat, kann man durch dieses Buch besser begreifen. Kurz - das ist ein sehr schönes Buch für die angegebene Zielgruppe, oder besser für Kinder daraus, die sich noch fürs Zeichnen von Tieren und damit für die Natur begeistern. Es enthält aber auch für Erwachsene noch viel Wissenswertes und ist darüber hinaus einfach schön.
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