Marguerite Duras, 1914 in Indochina geboren, 1996 in Frankreich gestorben, gehört zu den bedeutendsten politisch streitbaren und künstlerisch vielseitigen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihr Roman "Der Liebhaber" wurde zu einem internationalen Bestseller.
Marguerite Duras hat in diesem Roman ihre Tagebuchtexte über die Résistance, die Rückkehr ihres Geliebten aus dem Konzentrationslager und die Folterung von Denunzianten durch die Mitglieder des Widerstands überarbeitet und sie 1985 in ihrem Buch "Der Schmerz" veröffentlicht
Warten, mit dem Schlimmsten rechnen, und wieder warten, wider aller Vernunft die Hoffnung nicht aufgeben, und nochmals warten...das ist der Lebensinhalt der Ich-Erzählerin im Frühjahr 1945, als der Krieg zuende geht. Sie wartet auf ihren Mann Robert, der als Mitglied der Résistance in ein Konzentrationslager gesteckt wurde.
Täglich studiert sie die Listen mit Überlebenden, kreist in Phantasievorstellungen abwechselnd um seinen Tod und seine Rückkehr, durchwandert das zukünftige Leben mit ihm oder sieht sich alleingelassen als einsame Frau altern. Sie steht nahe vor dem Zusammenbruch. Zufällig in einem Leichenhaufen in Dachau entdeckt und gerettet, wird er schließlich, auf 37 Kilogramm abgemagert, tatsächlich zurückgebracht. Sie ist völlig überfordert, kann seinen Anblick kaum mehr ertragen, pflegt ihn obzessiv viele Wochen lang gesund, doch die glühende Liebe, die sie damals für ihn empfand, ist ihr entglitten. Die Sehnsucht und der Schmerz, die sie mit Liebe verwechselt hat, wird überlagert von der Schockstarre, die sie in der Gegenwart eingeholt hat... und dass sie im Laufe der Zeit die Zuwendung zu einem anderen Mann spürt, die außerhalb ihres Schmerzzentrums liegt. Die Erzählung kreist um ihr inneres Schmerzerleben wie ein Nachtfalter um eine Lampe, um die Wunde, die der Holocaust der Menschheit zugefügt hat.
Es ist ein eindringliches, intimes Buch, was an die Möglichkeiten appelliert, Erinnerungen aufzuarbeiten und seine eigene Haltung zu dieser Zeit zu überprüfen, die auch die Nähe von Schuld und Unschuld, von Opfern und Tätern thematisiert.
"Der Schmerz" , wurde 2018 in Frankreich als biographisches Drama verfilmt (Regie: Emmanuel Finkiel) Duras wird mit ihrer inneren und äußeren Welt als jemand gezeichnet, der hin und her gerissen ist zwischen Hoffnung und Verzweiflung, der in einen Moment stark sein will für den Verschleppten, nur um dann sicher zu sein, dass es ohnehin schon vorbei ist. Sie ist von Schuldgefühlen getrieben, selbst überlebt zu haben, weiß irgendwann auch gar nicht, wie sie damit umgehen soll, falls er doch wieder zurückkommt. Sehr sehenswert und sehr nahe am Erzählmodus angelegt.