Rezension zu "Die revolutionäre Kraft des Fühlens" von Maria Sanchez
Ich persönlich denke, dass ich in meinem bisherigen Leben keine Idee davon hatte und bis zu einem großen Teil vermutlich auch noch nicht habe wer ich eigentlich in der Tiefe bin.
Quelle: Verlag / vlb
Ich persönlich denke, dass ich in meinem bisherigen Leben keine Idee davon hatte und bis zu einem großen Teil vermutlich auch noch nicht habe wer ich eigentlich in der Tiefe bin.
Das Buch von Maria Sanchez läuft unter dem Genre Lebenshilfe. Die Autorin möchte uns einen neuen Blick auf unser Inneres ermöglichen.
Hierzu unterteilt sie drei Kapitel: Die Urwunde, Das biografische Schutzprogramm, Die emtionale (R)Evolution.
Das erste Kapitel beschreibt die Entstehung eines frühkindlichen inneren Konfliktes in uns. Das zweite Kapitel widmet sich den Auswirkungen dieses Konfliktes in unserem Alltag. Das dritte Kapitel zeigt die Notwendigkeit einer aufmerksamen Zuwendung in Hinsicht auf diesen Konflikt und deutet auf Selbstheilungswege hin.
Maria Sanchez spricht von zwei Hauptanteilen in uns, dem geliebten und dem ungeliebten Kind. Sie vertritt den Ansatz, dass wir in der frühen Kindheit schmerzlich erfahren mussten, dass nicht alle Persönlichkeitsanteile von uns Anerkennung im Außen fanden. Dadurch, so meint sie, ergäbe sich für uns eine strikte Trennung im Inneren: die anerkannten Persönlichkeitsanteilen würden im Sinne eines geliebten Kindes als Identität angenommen werden, die abgelehnten Anteile in uns aber würden wir als ungeliebtes Kind verdrängen und abspalten.
Dadurch würde ein emotionales Schutzprogramm entstehen, welches diesen inneren Konflikt als Rivalität zwischen den beiden Kindern aufrecht hält. Ein Programm, das ständig bemüht sei, das ungeliebte Kind zu verdrängen. Symptome, unter denen wir allgemein leiden, bezeichnet die Autorin als Äußerung des ungeliebten Kindes, das um Gehör bittet.
Die Autorin empfiehlt nun einen neuen Umgang mit uns selbst, indem wir lernen beide Kinder wahrzunehmen und ihnen wertfrei zu begegnen. Jedes Kind habe seine Berichtigung zu sein. Wenn wir wieder beide inneren Kinder zugleich sind, dann können wir wieder ganz und authentisch sein.
Maria Sanchez, die selbst betroffen war mit Symptomen wie Ängste, Depression und Essstörung, hat diesen Ansatz und ein Programm entworfen, um sich selbst zu heilen. Dieses Programm ist leider nicht im Buch mit enthalten. Es gibt nur wage Informationen darüber. Die Autorin schreibt selber im hinteren Teil des Buches dazu, dass sie kein Übungsbuch herausbringen möchte.
Was dann also ist dieses Buch unter dem Genre Lebenshilfe? Für mich liest es sich wie ein Vortrag, der für einen neuen Ansatz wirbt.
Maria Sanchez schreibt über viele Fallbeispiele und über ihr eigenes Leben. Das Buch ist gut strukturiert mit Übungen und klaren Zusammenfassungen. Die Autorin erklärt ausführlich ihre These der beiden inneren Kinder und des inneren Konfliktes, auch wo wir ansetzen könnten, um den Konflikt zu beenden. Doch dann wird der Leser allein gelassen. Er bekommt noch bedeutende Wörter wie "emotionale Selbstbegleitung" und "gesunde Selbstermächtigung" mit auf dem Weg. Heilen soll er sich selbst und den Weg dorthin alleine finden. Dies sei kein Buch zum Erlernen einer Selbsttherapie, so die Autorin.
Dieses Buch vertritt also eine These. Es ist kein Übungsbuch, was ich sehr bedauere. Unter dem Tital hatte ich nämlich etwas anderes erwartet.
Ich fühle mich allein gelassen. Die These selbst kann mich nicht überzeugen. Was habe ich nun vom Lesen dieses Buches? Gut, ich habe einen neuen psychologischen Ansatz kennengelernt und darf entscheiden, ob ich ihn für mich übernehmen möchte und weiter an ihm im Alleingang arbeiten möchte. Dies klingt für mich unbefriedigend. Aber jeder muss für sich selbst wissen, was er mit dem Wissen aus diesem Buch anfangen möchte. Ich hätte mir einen begleitenden Lösungsweg erhofft. Mir wäre da ein praktischer Ratgeber lieber gewesen, etwas, was dieses Buch nicht ist. Es entspricht eher einem Forschungsbericht.
Maria Sanchez ist Heilpraktikerin für Psychotherapie mit eigener Praxis, hat aus eigenen Erfahrungen den Therapieansatz „Sehnsucht und Hunger“ entwickelt, welchen sie in ihrer Radiosendung „Durch Dick und Dünn“ vorgestellt hat; in diesem Buch verdeutlicht sie unterschiedliche Aspekte dieses Ansatzes anhand erhaltener Zuschriften zur Sendung und gibt Erklärungen dazu.
Die Frage, warum wir ohne Hunger essen, läßt sich nicht allgemeingültig beantworten, denn jeder hat einen anderen Grund, mehr zu essen als der eigene Körper braucht. Zu ergründen, welche Auslöser und Hintergründe einen selber dazu führen, im Essen Trost, Spannungsabbau,... zu suchen verspricht soviel mehr Erfolg als eine Diät, die nur befristet auf die Symtome eingeht und nicht an den psychologischen Ursachen arbeitet, die „das natürliche Wechselspiel von Hunger und Sattsein außer Kraft setzen.“
In vielen Beispielen werden unterschiedliche Ursachen des emotionalen Essens aufgezeigt, ganz anschaulich und sehr gut erklärt. Es werden Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt, die dazu führen, dass man versteht, was den eigenen Essanfall auslöst und welche anderen Möglichkeiten man wählen kann um diesen Situationen ohne Essen Herr zu werden.
Ich denke, jeder, der ohne wirklichen Hunger isst und nach Lösungen sucht, wird sich in vielen Beispielen wiederfinden, seine Auslöser und auch seinen Weg aus den problematischen Situationen erkennen. Für alle, die noch etwas mehr Hilfe brauchen bietet Maria Sanchez auch weitere Unterstützungsangebote wie Seminare, Telefon- oder Präsenzgruppen, eine online-Community – alles zu finden auf ihrer Seite sehnsuchtundhunger.de.
Der Ansatz, den Maria Sanchez vertritt, kommt ohne Kalorienzählen und qualvollen Sporteinheiten aus, widmet sich den inneren Spannungen und gibt damit eine Lösung an die Hand, die das Problem an der Wurzel packt. Beim Lesen habe ich etliche neue Erkenntnisse gewonnen, die mir helfen, mein Essverhalten nun anders zu reflektieren, wobei ich sicher bin, dass eine echte Lösung einige Zeit und „Arbeit“ dauert und ich immer wieder in dieses sehr hilfreiche Buch schauen werde.
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