Rezension zu "Maskenball" von Maria Scherer
Andrea sitzt einsam und allein auf ihrer Couch im Wohnzimmer, in dem sonst nur die Einrichtungsgegenstände übrig sind, die ihr Mann beim Auszug nicht mitgenommen hat. Sie haben sich getrennt, doch mit ihrer Affaire ist sie langfristig nicht glücklich geworden: Er hat sie zur Abtreibung des gemeinsamen Kindes gezwungen und sie merkt immer mehr, dass sie mit dieser Entscheidung langfristig nicht klar kommt. Genausowenig mit der Einsamkeit und der Stärke, die sie der Gesellschaft gegenüber heucheln muss - oder denkt, heucheln zu müssen. Es ist ein Teufelskreis aus Masken, den sie mit ihrer Umwelt spielt - bis es fast zu spät ist und sie bereit wäre, einen Mord zu begehen.
Das Buch erschien das erste Mal 1985 und hat in seiner Aktualität nichts, aber auch gar nichts eingebüst. Das Thema Kind und Karriere, noch dazu als alleinerziehende Mutter werden jetzt immer noch kontrovers diskutiert und der moralische Druck auf Mütter insgesamt ist ungebrochen. Noch dazu das Thema des Versteckens, des sich hinter einer Maske Verbergens, um möglichst wenig verletzt zu werden. Wie weit das zwei Menschen treiben kann, die ihr Leben auf einem fortwährenden Maskenball verbringen, erlebt man in diesem Buch. An sich hätte die Geschichte von Andrea und Josef ganz einfach und sehr glücklich werden können, doch nur Vermutungen und "Schutzhandlungen" à la Teenager machen es zu einer Vollkatastrophe. Die Aktualität des Themas stellt allerdings auch sicher, dass man sich nach dem holprigen Anfang sehr schnell in die Geschichte einfühlen kann.
Sehr kunstvoll ist die Verstrickung der Verdi Oper "Un Ballo In Maschera", die an sich schon eine maskierte Geschichte darstellt, sich mit den maskiert lebenden Hauptprotagonisten vermischt und auch noch selbst als Drehbuch für einen Film in der Geschichte selbst auftaucht. Das klingt anstrengender, als es im Buch tatsächlich ist - nach den ersten komplizierten Sätzen wird der Schreibstil schnell verständlicher und man taucht ein in die Gedanken von Andrea, die genauso gut in diesem Jahr leben könnte.
Eine kurze Erzählung, die etwas anspruchsvoller ist, viel Diskussionsstoff bietet und sich daher für einen eiskalten Nachmittag im Frühjahr perfekt eignet!
Übrigens: Das Buch gehört zu rowohlt repertoire, einer "Aktion", die vergriffene Bücher wieder zugänglich macht. Daher bitte nicht wundern, dass der Maskenball in seiner ursprünglichen Schreibweise (alte Rechtschreibung) veröffentlicht wurde.