Cover des Buches Sonnenkönige (ISBN: 9783218011020)
Rezension zu Sonnenkönige von Marianne Jungmaier

Marianne Jungmaier | SONNENKÖNIGE

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 6 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 6 Jahren

*** Die folgende Rezension erschien erstmals auf meinem Blog www.booksterhro.wordpress.com. Schaut mal vorbei, ich freu mich auf Euren Besuch! ***

Der junge Aidan lebt zusammen mit drei Mädchen in einer Wohngemeinschaft in Berlin und genießt die Freiheit, ein erfülltes Leben jenseits aller Konventionen führen zu können. Er hat ein lässigen Nebenjob in der Redaktion eines Musikmagazins, führt eine offene und erfüllende Beziehung mit Hannah und wenn ihm der Sinn nach Rausch und Zerstreuung steht, braucht er nur die Hand ausstrecken. Doch in ihm brodelt etwas – diese Sehnsucht nach mehr, nach einem Sinn, einer Bestimmung. Zwischen all dem Sex, den Drogen- und Fetischparties, zieht es Aidan hinaus in die Welt, um etwas von Wert zu schaffen und mit diesem Kapitel abzuschließen. Bill, ein Amerikaner aus San Francisco, den er bei einem Festival in den polnischen Wäldern kennenlernt, sagt die magischen Worte, die ihn in seinem Vorhaben bestätigen:

»Irgendwann, flüsterte er, wirst du Menschen, die dir nicht guttun, sein lassen, und dich mit jenen umgeben, die dir entsprechen.« (Seite 60)

Wochenlang arbeitet Aidan im Keller an einem riesigen Drachen aus Holz – einem Bildnis seines Selbst in dieser Phase seines Lebens –, den er beim legendären Festival Favilla in der Wüste Nevadas in Flammen aufgehen lassen will. Er nimmt Bills Einladung nach Amerika an und fliegt – seinen Drachen im Gepäck und eine Festanstellung in Aussicht – zum Festival und zum Ende seiner Jugend.

Marianne Jungmaier (*1985) hat mit SONNENKÖNIGE einen Coming-of-Age-Roman geschrieben, der vor allem durch seinen ruhigen Schreibstil besticht. Jungmaiers Themen sind wild und bunt: Es wird gevögelt, gekokst und gefeiert, freie Liebe, BDSM-Parties – die Sätze jedoch bleiben im krassen Gegensatz dazu unaufgeregt und zielorientiert. Das hat den wohltuenden Effekt, dass die durchaus deftigen Szenen weder unangenehm werden noch aufgesetzt wirken, dass wir Leser also nicht einfach zu Voyeuren degradiert werden. Das ist in meinen Augen ein Akt des Respekts der Schriftstellerin ihrem Publikum gegenüber, den ich dankbar annehme und zu schätzen weiß.

Nun ist die Ebene unter dem Text, das eigentliche Thema – der Abschied von der Jugend, der kontrollierte Schritt in eine neue Lebensphase –, literarisch sicherlich kein Neuland; ganze Bibliotheken könnten mit Büchern dieser Art gefüllt werden. Die Frage ist, was Jungmaier diesem Thema noch hinzufügen kann. Und hier muss ich bei SONNENKÖNIGE leider ein paar Abstriche machen, denn Aidan ist mir den ganzen Roman über viel zu passiv – er reagiert nur, lässt sich treiben. Und auch der Bau seines Drachen – ein schönes Bild übrigens – geschieht eher aus einem Antrieb, den er nicht genau bestimmen, geschweige denn beschreiben kann. Als seine Beziehung zu Hannah zerbricht, nimmt er es hin, ohne um sie zu kämpfen, nicht mal ordentlich streiten kann er. Mir fehlen die großen Erkenntnisse, die Aha-Effekte. Bei Aidan sehe ich da nur ein müdes Schulterzucken: »Is‘ halt so.«

Vielleicht ist diese wortlose, bauchgesteuerte Wesensart aber auch ein bewusstes Abbild einer gelangweilten Jugend, die nie um etwas kämpfen musste, und Jungmaier trifft mit ihrer Aidan-Figur genau ins Schwarze? Ich gestehe: Als zweifacher Familienvater mittleren Alters im beschaulichen Rostock weiß ich herzlich wenig um die heutige Jugend in Berlin-Mitte. Ich möchte der Autorin deshalb auch kein Unrecht tun und schließe meine Besprechung mit dem Fazit: Ein sanftes Buch in einer wilden Welt.

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