Cover des Buches Das Labyrinth der Wörter (ISBN: 9783455600247)
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Rezension zu Das Labyrinth der Wörter von Marie-Sabine Roger

Vermeintlich dumm, und doch fast ein Philosoph: Germain Chazes

von KatrinM vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Ein Buch über die Kraft des Wortes und des Lesens - wunderbar!

Rezension

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KatrinMvor 9 Jahren
Germain Chazes ist ein Mensch, der sich selbst als dumm und unkultiviert bezeichnet. Er kann zwar ein wenig lesen, aber den Sinn der Sätze nicht verstehen, daher lebt er ein Leben, in dem Bücher keine Rolle spielen, dafür um so mehr der Alkohol, derbe Witze mit seinen Freunden, Gelegenheitsjobs und schneller Sex. Seine Mutter wirft ihm bis heute vor, dass sie ihn ungeplant in jungen Jahren zur Welt gebracht hat. Germain kommt trotzdem nicht von ihr los, immerhin ist er aus dem gemeinsamen Haus in einen Wohnwagen im Garten gezogen.

Da trifft er eines Tages im Park eine alte Dame, die ebenso wie er Freude daran hat, die Tauben zu zählen. Margueritte ist eine liebenswerte, intelligente, belesene Frau, die Germain mit Respekt und echtem Interesse begegnet. Durch sie entdeckt der übergewichtige und ungehobelte Germain nach und nach seine eigenen Stärken. Er lernt die Bedeutung bisher unbekannter Wörter, und mit dem wachsenden Wissen verändert sich auch der Blick auf sein Leben, seine Freunde, seine Geliebte.

Die wachsende freundschaftliche Beziehung zwischen der kleinen zierlichen Dame und dem groben, 40 Jahre jüngeren Mann wird in "Das Labyrinth der Wörter" behutsam entwickelt, kleine Gesten und wie beiläufig gesprochene Sätze sind von großer Bedeutung.

Ich-Erzähler Germain hat von Anfang an die Sympathien des Lesers/der Leserin, und man spürt schnell, dass er gar nicht so dumm ist, wie seine Freunde immer sagen. Wenn er verspottet wird, hat man Mitleid mit ihm, ebenso, wenn er von seiner verkorksten Kindheit erzählt, und manchmal, wenn er wieder einmal einen eigentlich schlichten, aber doch sehr zutreffenden Satz gesagt hat, möchte man diesen am liebsten notieren, um ihn nicht zu vergessen.

Germain ist fast ein Philosoph, wenn er Sätze sagt wie "Ich stelle mir Fragen über das Leben und versuche, sie mir zu beantworten, indem ich darüber nachdenke, ohne zu schummeln." Oder: "Sich zu bilden, das ist, wie wenn man versucht, auf einen Berg zu steigen." Und so freut man sich mit ihm, dass er es mit einem Wörterbuch durch das Labyrinth der vielen schwierigen Wörter schafft, so dass er schließlich sogar seiner verehrten Marguerrite gleich mehrfach helfen kann. Ein liebenswertes Buch!
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