Rezension zu Ihm in die Augen sehen von Marie-Therese Cuny
Rezension zu "Ihm in die Augen sehen" von Marie-Therese Cuny
von variety
Rezension
varietyvor 16 Jahren
Auch ich war ziemlich irritiert..., und zwar darüber, dass Sabine Dardenne die erlittenen, unglaublichen und nicht nachvollziehbaren Qualen dieses Folterers so sachlich und fast distanziert beschreibt. Für mich ist das der Tatsache zuzuschreiben, dass sie erst dadurch Distanz zu den Schandtaten eines Dutroux gewinnen kann. Wäre sie nämlich zu nahe am Geschehen geblieben, würden sie diese tragischen 80 Tage wohl noch länger und intensiver verfolgen. Allerdings wird sie sich auch so immer wieder an die Zeit im Kellerloch und im oberen Zimmer mit den Etagenbetten erinnern. Als Aussenstehender wirkt die Schilderung Dardennes sowieso fremd und irritierend. Kann ein Mensch (?) einen anderen Menschen so quälen? Es scheint leider so. Der Wunsch nach mehr Nähe bzw. mehr Details ist zudem sehr zweischneidig zu sehen: Einerseits möchte man als Leser/in möglichst nahe beim Geschehen bzw. bei der Erzählerin sein, anderseits könnten zu viele genaue Beschreibungen in erster Linie Voyeure und Gewaltverherrlicher animieren ähnliche Schandtaten zu begehen. Und Hand aufs Herz: Wem hätten genauere Schilderungen im Buch wirklich gedient? Ich hoffe, dass sich ihr Wunsch, das Puzzle aus ihrem Gedächtnis zu «sortieren» bzw. die niedergeschriebenen Gedanken zu vergessen, erfüllt. So wie sie es am Schluss beschreibt: «Auf eine endgültige Art und Weise. Einfach ein Buch in einem Regal. Und alles vergessen können.»