Marie Vieux-Chauvet

 4,3 Sterne bei 20 Bewertungen
Autor*in von Töchter Haitis, Der Tanz auf dem Vulkan und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Marie Vieux-Chauvet (1916–1973) wurde in Port-au-Prince in Haiti geboren. Ihr Vater war haitianischer Politiker, die Mutter stammte von den ehemals spanischen, seit 1898 zu den Vereinigten Staaten gehörigen Jungferninseln. Sie besuchte die l‘Annexe de l‘École Normale d'Institutrices und machte 1933 ihren Abschluss als Grundschullehrerin. Kurz darauf heiratete sie Aymon Charlier, einen Arzt, ließ sich aber vier Jahre später scheiden. Ihren zweiten Mann, Pierre Chauvet, heiratete sie 1942. Ab 1947 trat sie als Theaterautorin in Erscheinung. Ihr erster Roman «Fille d'Haïti» erschien 1954 und wurde mit dem Prix de l'Alliance Française ausgezeichnet. Es folgten die Romane «La Danse sur le Volcan» (1957) und «Fonds des Nègres» (1960), für letzteren wurde sie mit dem Prix France-Antilles geehrt. Als François Duvalier Präsident wurde und sich als Papa Doc zum Diktator aufschwang, bedeutete das für sie massive Einschränkungen. Sie war einziges weibliches Mitglied in der haitianischen Autorenvereinigung «Les Araignées du Soir» («Die Spinnen des Abends»). Die «Trilogie Amour, Colère, Folie» (1969) erschien auf Fürsprache Simone de Beauvoirs. Aus Angst vor Repressalien kaufte ihr Mann alle in Haiti befindlichen Exemplare auf. Schließlich musste sie ins US-amerikanische Exil gehen und lebte bis zu ihrem Tod in New York. Dort schrieb sie auch ihren letzten Roman, «Les Rapaces», der 1971 erschien.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Marie Vieux-Chauvet

Cover des Buches Töchter Haitis (ISBN: 9783717525509)

Töchter Haitis

 (13)
Erschienen am 28.09.2022
Cover des Buches Der Tanz auf dem Vulkan (ISBN: 9783717525523)

Der Tanz auf dem Vulkan

 (5)
Erschienen am 24.05.2023
Cover des Buches Liebe Wut Wahnsinn (ISBN: 9783548607436)

Liebe Wut Wahnsinn

 (2)
Erschienen am 01.07.2007
Cover des Buches Wiedersehen in Fonds-des-Nègres (ISBN: 9783717525516)

Wiedersehen in Fonds-des-Nègres

 (0)
Erscheint am 14.08.2024

Neue Rezensionen zu Marie Vieux-Chauvet

Cover des Buches Der Tanz auf dem Vulkan (ISBN: 9783717525523)
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Rezension zu "Der Tanz auf dem Vulkan" von Marie Vieux-Chauvet

Haitis langer und beschwerlicher Weg in die Unabhängigkeit
lesehorizontvor 10 Monaten

Letztes Jahr brachte der Manesse Verlag den Roman "Töchter Haitis" von Marie Vieux-Chauvet heraus. Bis dahin war Haiti eher ein weißer Fleck auf meiner literarisch bereisten Weltkarte. Ich bin sehr dankbar, dass sich dies mit der Lektüre des genannten Romans änderte und ich nun einen weiteren Roman der Autorin entdecken durfte, mithilfe dessen ich meine Wissenslücke weiter füllen durfte. Auch im nun von Natalie Lemmens ins Deutsche übertragenen Roman "Der Tanz auf dem Vulkan" geht es um die koloniale Vergangenheit Haitis, um Rassentrennung und Unterdrückung. Dabei beruht der Roman auf hitorischen Gegebenheiten, über die wir ergänzend zum Roman auch viel im umfangreichen Anmerkungsapparat sowie dem informativen Nachwort von Kaiama L. Glover erfahren. 

Gleich zu Beginn werden die haitischen Verhältnisse sehr plastisch beschrieben: Die Menschen in Port-au-Pronce erwarten die Ankunft des neuen Gouverneurs. In der Vergangenheit wussten die Koloniaherren Sorge dafür zu tragen, dass die Einheimischen ihnen nicht zu ähnlich wurden, und so erließen sie unter anderem die Verfügung, dass Einheimische barfuß zu sein hätten. Die Rassentrennung ist klar spürbar, und doch geht von den Einheimischen eine gewisse, exotisch anmutende Verführung aus, denen so mancher Kolonialherr erliegt.

Minette ist eine zentrale FIgur des Romans. Von vornherein hat man das Gefühl, dass dieses junge Mädchen die Benachteiligungen sehr aufmerksam wahrnimmt und innerlich dagegen aufbegehrt. Noch ausgeprägter als ihre Schwester ist ihr besonderes Gesangstalent, das sie aber nicht ohne Weiteres ausleben kann, da die großen Bühnen farbigen Menschen verwehrt bleiben. Doch Minette findet nicht nur in Joseph einen geduldigen Lehrer und Freund, der ihr und ihrer Schwester den Weg zur Bildung bahnt. Minette erfährt auch besondere musikalische Förderung durch die Acquaires. Ihr Plan ist es, sie auf die Theaterbühne zu bringen, was ein sehr gewagtes Vorhaben ist. 

Aller Befürchtungen zum Trotze wird Minettes erster Auftritt von Publikum und Presse frenetisch bejubelt und sie wird in die Teatergruppe aufgenommen. Ihre Freude darüber wird allerdings schnell dadurch getrübt, dass sie nicht dafür entlohnt wird. Sie beginnt, für einen Vertrag und ihre gerechte Entlohnung zu kämpfen. Getrieben wird sie von ihrem idealistischen Motiv, mit den Erlösen alle Sklaven freikaufen zu wollen. Zu oft schon hat sie deren Schreie infolge von willkürlichen Folterungen der Sklaven gehört und miterlebt. Sie will dem ein Ende bereiten. Sie mus dabei jedoch selbst die schmerzhafte Erfahrung machen, dass es auch so etwas wie subtilen Rassismus gibt. Ihre erste Liebe schweitert daran, was ihr Aufbegehren gegen erlittene Ungerechtigkeiten - auch und insbesondere in ihrem nahen Umfeld - noch zusätzlich befeuert. 

Im Inneren des Vulkans brodelt es zunehmend. Gemetzel nehmen zu. Es ist der Vorabend von Haitis Unabhängigkeit. Die unversöhnlichen Lager tragen ein Gemetzel aus, bei dem es auf beiden Seiten zu vielen Verlusten kommt...

In sprachlicher Hinsicht ist dieser Roman sehr angenehm zu lesen. Ich wurde in das Geschehen förmlich hinein gesogen. Die Schilderungen der Autorin sind sehr plastisch, die Protagonisten mit viel Feingefühl lebendig gezeichnet. Stereotype finden sich insbesondere zu Beginn der Geschichte zuhauf, was jedoch für das Verständnis des Romans durchaus funktional ist, insofern es die Unterschiedlichkeit von Einheimischen und Kolonisatoren, die mit willkürlicher Unterdrückung und Gewalt einhergeht, plastisch vor Augen führt. Dass die Vorgänge am Theater einem ellenlangen Tauziehen gleicht, die Gemetzel kein Ende zu nehmen scheinen, mag zum Teil etwas langatmig erscheinen, jedoch brauchen Revolutionern ihre Zeit, so dass mir dies realistisch erscheint. Minette, insbesondere als gereifte junge Frau, war mir sehr sympathisch und ich hätte mir für sie und ihre Liebsten ein anderes Ende gewünscht. Leider ist das Leben kein Wunschkonzert- auch im Roman nicht. 

Alles in allem ein sehr lesenswerter Roman, den ich sehr gerne allen weiter empfehle, die gerne einen verborgenen Klassiker heben und dabei auch gerne Neues über Land und Leute erfahren möchten. 


Cover des Buches Der Tanz auf dem Vulkan (ISBN: 9783717525523)
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Rezension zu "Der Tanz auf dem Vulkan" von Marie Vieux-Chauvet

Ein Vulkan namens Haiti
kingofmusicvor 10 Monaten

Die haitianische Schriftstellerin Marie Vieux-Chauvet (1916-1973) konnte mich bereits im letzten Jahr mit ihrem in der Reihe „Mehr Klassikerinnen“ im Manesse Verlag veröffentlichten Debüt-Roman „Töchter Haitis“ begeistern. Jetzt wurde dieser Reihe ein weiterer Roman von ihr hinzugefügt. Wie schon der Vorgänger wurde auch „Der Tanz auf dem Vulkan“ von Nathalie Lemmens aus dem Französischen übersetzt; ebenso gibt es wieder ein sehr lesenswertes, informatives und den Roman in den historischen Kontext und in das Werk Vieux-Chauvet einbindendes Nachwort von Kaiama L. Glover. Soviel zu den nüchternen Fakten *g*.

Lassen wir zu Beginn die Autorin selbst zu Wort kommen:

„Dieses Buch entstand auf der Grundlage historischen Materials. Die beiden Protagonistinnen und alle weiteren Hauptfiguren haben wirklich gelebt und treten unter ihren tatsächlichen Namen auf. Die wichtigsten Ereignisse in ihrem Leben sowie die geschilderten historischen Begebenheiten entsprechen den Tatsachen.“ (S. 5)

Die hier genannten Protagonistinnen sind zwei Schwestern und hören auf die Namen Minette und Lise. Als Töchter einer ehemaligen Sklavin sind sie dem in der französischen Kolonie Haiti vorherrschenden Rassismus gnadenlos ausgesetzt. Und trotzdem schaffen sie dank ihres ungewöhnlich hohen Talents (die Schwestern sind Sängerinnen) Grenzen zu sprengen, die ihnen die Türen zu dem örtlichen Theater in Port-au-Prince öffnen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Rassismus und die Unterdrückung der weißen Besatzer an der Theatertür endet, denn auch hier sind sie der Willkür der Franzosen ausgesetzt, was sich z. B. im nicht ausgezahlten Gehalt etc. widerspiegelt. Doch Minette ist eine Kämpferin und schließt sich einer Untergrundorganisation an, um die Rechte der Schwarzen zu stärken und den Rassismus zu bekämpfen. Zeitlich gesehen hat sich das Ganze also vor der haitianischen Revolution (dem titelgebenden Vulkan) 1802 abgespielt.

Marie Vieux-Chauvet führt die Leser:innen teils im Zeitraffer durch Minette`s und das Leben ihrer Familie und Freunde und die Zeit im Theater. Einiges wiederholt sich dabei relativ oft und das (teils) divenhafte Gebahren Minette´s lässt den Leser (mich) mit den Augen rollen. Doch warum sollte die Autorin ihre Heldin nur mit guten Seiten ausstatten? Also liest man drüber hinweg und freut sich mit Minette über ihre Erfolge, nimmt einen kleinen Anteil an ihrem Liebesleben und beobachtet (nicht nur) sie dabei, wie die Lava im Inneren des Vulkans Haiti immer weiter ansteigt und letztendlich ausbricht.

Bis zu diesem Punkt der Geschichte brauchen die Leser:innen einen langen Atem und dann geht alles Knall auf Fall. Das ist eine Sache, die mich persönlich etwas an dem Roman gestört hat. Überhaupt merke ich seit geraumer Zeit, dass meine Aufmerksamkeitsspanne bei Romanen jenseits der 300 Seiten nachgelassen hat – das soll potenzielle Leser:innen aber nicht davon abschrecken, diesen mit fast 500 Seiten (inklusive knapp 200 teils sehr ausführlichen Anmerkungen und dem wie oben bereits erwähnten Nachwort) recht umfangreichen mit historisch belegtem Material und hier und da das Privileg der künstlerische Freiheit ausnutzendem Roman die absolut verdiente Chance zu geben, einen Klassiker der (haitianischen) Literatur für sich zu entdecken.

Da mir „Töchter Haitis“ im direkten Vergleich etwas besser gefallen hat, vergebe ich hier dieses Mal „nur“ 4* und spreche eine Leseempfehlung aus.

©kingofmusic

Cover des Buches Der Tanz auf dem Vulkan (ISBN: 9783717525523)
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Rezension zu "Der Tanz auf dem Vulkan" von Marie Vieux-Chauvet

Der ungeschönte, sprachlich brillant ausgearbeiteter Weg zur Haitianischen Revolution.
MarcoLvor 10 Monaten

Die Autorin bedient sich bei diesem beeindruckenden Roman historischer Begebenheiten. Es ist der Vorabend zum Sklavenaufstand in Haiti, Ende des 18. Jahrhunderts, welcher schließlich, weltweit einzigartig, zu einem unabhängigen Staat führte.
1792, Minette und ihre jüngere Schwester Lise wachsen von ihrer Mutter, eine affraniche – eine freigelassene Sklavin, behütet in Port-au-Prince auf. Beide können auf ihr Gesangstalent sehr stolz sein, und mit der Fürsprache und Schutz von Madame Acquaire, welche beiden in aller Heimlichkeit Gesangsunterricht gibt, darf Minette eines Tages auf der Bühne auftreten, obwohl es Farbigen strickt verboten ist. Ihr außergewöhnlicher Gesang und der Zusammenhalt innerhalb der Schauspielertruppe beschützt sie weitestgehend vor Repressalien und gröberen Anfeindungen. Zunächst singt sie unentgeltlich, fordert dennoch bald einen eigenen Vertrag. Ihr Selbstbewusstsein ist groß, auch ihr tiefer Argwohn gegen die weißen Kolonialherren, welche nach Lust und Laune regieren und die Einheimischen und Farbigen unterdrücken. Trotz ihres Erfolges bleibt Minette der Zugang zur Gesellschaft, wie etwas der obligatorische Ball nach einer Aufführung, aus Rassengründen untersagt.
Während dieser Monate kommt Minette immer mehr mit rassistischen Anfeindungen in Berührung. Auch wird sie mehrfach Zeuge der willkürlichen Gewalt der Weißen Farbigen gegenüber. Sie trifft auf den Untergrund, die aufständischen Sklaven und jenen guten Seelen, welche die aufkeimende Revolution unterstützen. Und sie beginnt, ihr Umfeld zu hinterfragen.
„ Warum gab es Reiche und Arme? Warum wurden die Sklaven geschlagen? Warum gab es gute und schlechte Herren, gute und schlechte Priester? Warum lehrte der Katechismus das eine und taten die Priester das andere? Sie sagten: wir sind alle Brüder, und trotzdem kauften sie Sklaven, manchmal schlugen sie sie, oder quälten sie zu Tode.“
Denn im ganzen Land formieren sich die Sklaven, es gibt erste Aufstände, bis hin, ohne jetzt zuviel zu spoilern, zur blutigen Revolution, welche oft sehr detailreich geschildert wird (Triggerwarnung!).
Die Geschichte ist mit einer großen, erzählerischer Kraft geschrieben. Die handelnden Personen sind derart plastisch dargestellt, als ob man sie real kennen würden. Das ist eine große Stärke der Autorin, welche ihre Heimat Haiti 1968 verlassen und ins Exil gehen musste. Die patriarchalen und menschenfeindlichen Strukturen haben das Land nie verlassen.
Der Roman beginnt sanft, Kritik und Aufstand kommen langsam daher, aber es schaukelt sich gegen Ende gewaltig auf. Manchmal ein wenig zu heftig nach meinem Geschmack, sodass der ursprüngliche Lesefluss und die eindrücklichen Szenen etwas in Mitleidenschaft geraten. Gerne gebe ich eine Leseempfehlung , vor allem für jene, die historisch über den Tellerrand schauen möchten.


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