Cover des Buches Der Traum des Kelten (ISBN: 9783518422700)
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Rezension zu Der Traum des Kelten von Mario Vargas Llosa

Rezension zu "Der Traum des Kelten" von Mario Vargas Llosa

von Wolkenatlas vor 12 Jahren

Rezension

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Wolkenatlasvor 12 Jahren
Auf den Spuren von Roger Casement Dieser Roman des Literatur-Nobelpreisträgers von 2010 widmet sich der interessanten Persönlichkeit des Roger Casement, der Abenteurer im Kongo, Diplomat, Kämpfer für die Rechte der Indios, irischer Nationalist und britischer Verräter war. Der Roman beginnt damit, dass der für Verrat am Vaterland zum Tode verurteilte Roger Casement 1916 im Londoner Pentonville Gefängnis in der Todeszelle auf seine Hinrichtung wartet. Der einstmals gefeierte und geachtete, ja sogar mit dem Titel "Sir" ausgestattete Casement ist nun zum Geächteten geworden. Er ist für den Verrat an England zum Tode verurteilt. Pikante Details aus seinem Privatleben sickern täglich an die Presse durch, die weiter für schlechte Stimmung gegen ihn sorgen. Er wartet auf die Entscheidung über sein Gnadengesuch. Die meisten seiner Freunde, wie beispielsweise Joseph Conrad, weigern sich, das Gnadengesuch zu unterstützen. Während Roger Casement auf diese Entscheidung wartet, erinnert er sich zwischen Besuchen von ihm nahestehenden Verwandten, Freunden und des Aufsehers an sein Leben. Er erinnert sich an seine Kindheit in Ulster, mit einem protestantischen Vater und einer katholischen Mutter, an seine Zeit im belgischen Kongo, wo er die ersten Beweise für die Unmenschlichkeit des Kolonialismus findet. Er sieht das Unrecht, das der einheimischen Bevölkerung angetan wird, die von den weißen Kolonialherren als Sklaven und Aggressionsobjekt ausgenutzt wird. Er beginnt, gegen das Unrecht tätig zu werden, und findet bald seine Rolle im Leben, nämlich die des Retters, des ohne Rücksicht auf eigene Verluste kämpfenden Ehrenmannes. Korruption und Ausnutzung sind ihm ein Dorn im Auge. Nach einer Zeit in Afrika und der Rolle des britischen Konsuls in Brasilien widmet er sich der Aufklärung von Grausamkeiten gegen die Ureinwohner Perus. Er riskiert weiter sein Leben im Kampf um Gerechtigkeit. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt die immer stärker werdende Tendenz zur Homosexualität, die allerdings durchgehend fast eine zweifelhafte Rolle spielt, da unklar ist, wie weit die Tagebucheinzeichnungen Casements mit der Realität übereinstimmen, oder wie weit sie Wunschdenken des Iren sind bzw. waren. Der Teil in Peru ist der, nach Meinung des Rezensenten, literarisch stärkste Teil des Romans, da hier Mario Vargas-Llosa anscheinend den freiesten Zugriff auf die vorhandenen Fakten gewählt hat. Hier entwickelt sich vor der Kulissen schier unfassbarer Niedertracht eine spannende Erzähllinie, die im unbefriedigenden Sumpf der Bürokratie verebbt. Während seiner verschiedenen Reisen beginnt Casement eine starke Position als Nationalist im Dienste Irlands zu entwickeln, das er auch als Opfer eine Kolonialmacht sieht. Mit dieser immer stärker werdenden Tendenz zum Nationalisten ist es unausweichlich, dass er, auf der Suche nach Alliierten, in Deutschland fündig wird. Als das Projekt auffliegt, wird Roger Casement verhaftet und zum Tode verurteilt. Mario Vargas-Llosa hat sich für diesen Roman eine besonders ergiebige wahre Geschichte ausgesucht, die er allerdings, möglicherweise im Bestreben, einen realitätstreuen Roman zu schreiben, zu sehr faktisch erzählt, um die Fiktion per se zünden zu können. Speziell im ersten und auch im dritten Teil des Buches hat man oft das Gefühl, eine Biografie zu lesen, die zwar ein eloquenter und gewiefter Erzähler erzählt, die allerdings relativ fantasielos an der Wahrheit entlang wandert und wenig Raum für das Wesen der Fiktion erlaubt. Mario Vargas-Llosa ist ein großartiger Schriftsteller, zu dessen treuen Anhängern sich der Rezensent zählt, der den Nobelpreis für Literatur 2010 verdient erhalten hat. Ein Schriftsteller, dessen politisches Engagement wunderbare Romane wie "Der Krieg am Ende der Welt", "Das Fest des Ziegenbocks", "Gespräch in der Kathedrale" und "Maytas Geschichte" hervorgebracht hat. "Der Traum des Kelten" ist allerdings, obwohl stilistisch frei von Mängeln, als Roman misslungen, weil er es nicht schafft, den Leser wirklich in diese Geschichte eintauchen zu lassen. Er reißt nicht mit und lässt, bis auf Episoden aus dem zweiten Teil, den Leser kalt zurück. Ein als Biografie interessantes Buch ist es allerdings geworden, schön zu lesen, gut übersetzt; ein großer Roman ist "Der Traum des Kelten" leider nicht. (Roland Freisitzer; 10/2011)
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