Cover des Buches Ab jetzt ist Ruhe (ISBN: 9783104017488)
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Rezension zu Ab jetzt ist Ruhe von Marion Brasch

Schreckliches und Schönes lakonisch erzählt

von GetReady vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Lakonisch - leicht erzählte fictional ergänzte Autobiographie einer abgründigen, traumatisierten Familie. Mein Eindruck: zwiespältig

Rezension

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GetReadyvor 10 Jahren

Marion Brasch kommt aus einer „fabelhaften“ Familie.
Der Vater war stellvertretender Minister für Kultur in der DDR, die wesentlich älteren Brüder ( 16-6 Jahre älter) haben alle künstlerische Berufe gewählt. Der bekannteste ist wohl Thomas, den ich nicht nur als Schriftsteller schätze, sondern dessen Shakespeare Übersetzungen mir die liebsten sind, während ich mit seinen Filmen nie richtig warm wurde.

Der Vater stellt auf Grund seiner Sozialisation als, bei den Nazis verfolgter exkatholischer Jude, die sozialistischen Prinzipien über Familie und die Liebe zu seinen Kindern. Die Mutter stirbt generell unzufrieden an Krebs, als Marion Teenager ist. Alle Söhne reiben sich am Vater und am politischen System und der unglücklichen Verquickung von beiden.Sie lieben und hassen sowohl den Vater als auch den Staat.
Letztendlich führen diese unbewältigten, unauflöslichen Konflikte bei den Brüdern über Drogen- und Alkoholsucht zum Tode.

Erst als alle anderen Mitglieder verstorben sind und noch etwas Zeit vergangen ist, schreibt Marion Brasch diese Geschichte, vielleicht um ihren Platz in dieser traurigen Familie zu finden, vielleicht auch um endlich für sich sowohl mit dieser, als auch der DDR abzuschliessen zu können. „Ab jetzt ist Ruhe“.

Wir sehen also, die Fallhöhe aller Figuren dieser Geschichte ist gewaltig, aber sie wird uns von der kleinen Schwester nicht erzählt. Marion Brasch berichtet von den Ereignissen jeweils mit der Naivität der kleinen Schwester, das sie zu dem Zeitpunkt des Geschehens hatte, das meiste irgendwie beiläufig. Sie beschreibt jeweils punktuell, von Ihrem Aufwachsen in dieser Familie, als Teil der Nomenklatura. Bis hin zum Fall der Mauer und wie sie ihren Platz im Leben danach findet.

Insgesamt ist der Ton warm, unaufgeregt und lakonisch. Dadurch behält Sie eine, für sich selbst vermutlich benötigte, Distanz zur Erzählung. Auch nennt sie selten eine Figur beim Namen, sondern beschreibt sie. Die Brüder als den jüngsten, den mittleren und den ältesten, Heiner Müller als den „Dichter mit der breiten Stirn“ etc..

Einerseits gefällt mit genau dieser Ton meist besonders gut. Auch finde ich die Geschichte flüssig geschrieben und auch etwas Humor klingt an passenden Stellen an.

Andererseits kann ich mich eben wegen dieser erzählerischen Naivität und Lakonie nicht der großen Begeisterung meiner Freunde über dieses Buch anschließen. Vor allem ersteres empfinde ich, da die Erzählerin inzwischen erwachsen ist, als unangemessen.
Denn dadurch wird auch der Schmerz der Brüder klein gemacht und für meine Begriffe die DDR insgesamt etwas zu kuschelig dargestellt. Ich halte ihr aber auch zu Gute, dass fast all die Ekligkeiten nicht ihr nicht zugestoßen sind.


Ich schwanke deswegen zwischen einer guten ( ****) und eher mittelmäßigen (***) Bewertung, würde das Buch aber trotzdem immer weiterempfehlen.

Um so mehr freue ich michauf Braschs neuen, fiktiven Roman „Wunderlich fährt nach Norden“. Den werde ich mir allerdings als Hörbuch zu Gemüte führen, denn Stefan Kaminski hat es tollerweise eingelesen. Ich durfte beiden am Donnerstag bei einer Lesung lauschen und war restlos begeistert.

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