Cover des Buches Niemalswelt (ISBN: B07KSBJDGM)
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Rezension zu Niemalswelt von Marisha Pessl

Ein wildes Potpourri mit Misstönen

von Henk_Bleu vor 5 Jahren

Kurzmeinung: Ein wildes Potpourri mit Misstönen

Rezension

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Henk_Bleuvor 5 Jahren

Marisha Pessl hat sich in ihrem ersten Buch für Jugendliche eines der schwierigsten Themen überhaupt vorgenommen: Der Zeitreise. Wie wir alle wissen, hat noch kein Autor die damit verbundenen Logikschwierigkeiten gelöst.

Vom Genre her ist die „Niemalswelt“ ein wildes Potpourri aus Fantasy, klassischem Who Dunn It-Krimi, Coming of Age und eine romantische Liebesgeschichte. Im Kern ist die Geschichte einfach: Die unscheinbare Bee liebt den talentierten Jim, der nun tot ist – offenbar Selbstmord. Daran fühlt sich ihre ganze Clique schuld. Als die fünf Freunde ein Jahr später wieder zusammentreffen, bricht ein Ereignissturm los, der sogar das Raum-Zeit-Kontinuum durchbricht – die Clique sucht das Geheimnis um Jims Tod zu lösen, indem sie, verdonnert von einem obskuren Wächter, in sog. Wachen in die Zeit vor Jims Ableben reist. Bei dieser jäh eingeführten Idee musste ich dreimal trocken schlucken, und sie bleibt in der Rückschau der größte Knackpunkt des Buchs. Wer mit dieser Konstruktion Schwierigkeiten hat, sollte fernbleiben.

Abgesehen davon zitiert sich Marisha Pessl lustvoll durch Literatur- und Filmgeschichte. Die Gruppe, die auf Gedeih und Verderb aneinander gekettet ist und sich dennoch (oder deswegen) bis aufs Blut bekämpft, finden wir im Klassiker „Herr der Fliegen“. Beim Thema Zeitreise zu einem bestimmten Zeitpunkt grüßen „Zurück in die Zukunft“ und der „Time Tunnel“. Dann scheint „Inception“ durch, wenn am Ende einer Wache alles um die Protagonistin herum zusammenbricht. An anderer Stelle hat mich das Buch mit seiner Idee, dass man immer wieder an dieselbe Stelle kommt, bis man sie gelöst hat, an „Live, Die, Repeat“ erinnert – oder an Games, ganz wie man will. An einer Stelle, als die Clique kurz vor Schluss wieder von gleichen Interessen geleitet wird, winken von hinten gar Enid Blytons „Fünf Freunde“. Und selbstverständlich beginnt die „Niemalswelt“ so harmlos und beschaulich-familiär wie ein Spielberg-Film.

Der Mix aus Zitaten, Genres und einer rasanten Handlung wurde irgendwann clever-clever und hat das Buch insgesamt überfrachtet. Ob Pessl am Ende alle denkbaren Widersprüche aufgeklärt hat, konnte ich nicht mehr sagen, soviele Wendungen hatte sie der Geschichte bis dahin schon gegeben. Am Ende scheint dann alles ein Traum gewesen zu sein – oder auch nicht. Wir werden wohl bewusst im Unklaren gelassen – wie in „Inception“, als sich die Münze im Schlussbild drehte und drehte.

Die Handlung war dicht, turbulent, ja atemlos, die Lektüre dadurch spannend, die Szenen und Dialoge saßen, Pessl kann toll schreiben. Am Ende ist nichts so wie es auf den ersten Blick scheint. Nur eins hat mich gestört: von Anfang an war klar, wer die Auserwählte ist, die es schafft. So hat mich die „Niemalswelt“ bei allem Lesespaß zugleich unbefriedigt zurückgelassen.
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