Cover des Buches Die Tränen des Mörders, Sonderausgabe (ISBN: 9783442461318)
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Rezension zu Die Tränen des Mörders, Sonderausgabe von Mark Billingham

Thorne und der weinende Mörder

von Stefan83 vor 13 Jahren

Rezension

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Stefan83vor 13 Jahren
Auch in seinem zweiten Band aus der Serie um Detective Inspector Tom Thorne beweist Mark Billingham erneut seine Qualitäten als Autor von "Police Proceduals". Und wie schon in seinem Erstling "Der Kuss des Sandmanns" tut er das mit einer scheinbaren Routine und Reife, die schlichtweg beeindruckt. Während andere Genrekollegen in ihren Reihen gerade am Anfang noch eine gewisse Balance haben vermissen lassen, schreibt Billingham wie ein "alter Hase", überrascht er mit einer Stimme, die sich nicht nur von der Konkurrenz abhebt, sondern für einen Engländer auch sehr amerikanisch klingt. Sein bester Wurf ist dabei die Hauptfigur Tom Thorne, die, zwar oft mit Rankins John Rebus verglichen, eigentlich wenige Ähnlichkeiten mit diesem aufweist. Wo der Schotte vom Leben gezeichnet nicht selten mit seelischen Problemen kämpft, ist Thorne um einiges bissiger, nicht selten am Rande des Zorns. Eine Eigenschaft, die auch in diesem Fall deutlich zutage tritt: Die Ereignisse des 11. September haben auch in der Hauptstadt Londons ihren Widerhall gefunden. Im Zuge der Verbrechensbekämpfung wurde die Metropolitan Police neu strukturiert, mehrere so genannte "Crime Groups" gebildet. Thorne, verantwortlich für die "Serious Crime Group", bekommt zumeist die Fälle serviert, die in kein Schema passen wollen und unlösbar scheinen. Dieses Mal sind das zwei Morde an Frauen, die innerhalb kürzester Zeit hintereinander begangen wurden. Beide Opfer scheinen auf dem Heimweg den Zug genutzt zu haben. Hier enden die Ähnlichkeiten allerdings auch, denn die zwei Frauen wurden zwar erwürgt, allerdings auf völlig unterschiedliche Art und Weise. Während die allein erziehende Mutter vor den Augen ihres dreijährigen Kindes qualvoll und brutal getötet wurde, ist mit der zweiten verhältnismäßig sanft umgegangen worden. Und bei der Obduktion der Leiche finden sich hier auch Spuren von Körperflüssigkeit - und zwar Tränen. Durch die gewonnenen Erkenntnisse in dem Fall erscheinen jetzt auch zwei frühere Frauenmorde in einem völlig neuen Licht. Gemeinsam mit seinem Kollegen Dave Holland und dem Neuzugang Sarah McEvoy nimmt Thorne die Ermittlungen auf. Und legt sich dabei erneut mehr als einmal mit seinen Vorgesetzten an... Man spoilert nicht viel, wenn man an dieser Stelle verrät, dass es sich bei den Morden natürlich um zwei Täter handelt, die miteinander in Kontakt stehen (Der Text auf dem Buchrücken lässt diese Katze ja auch aus dem Sack). Das ist jetzt keine unbedingt völlig neue Idee, wird aber in diesem Buch derart spannend erzählt, dass der Leser (ob er nun will oder nicht) desöfteren äußerst geschickt auf die falsche Fährte geführt wird. Dabei ist es keine packende Jagd im Sinne eines Thrillers, sondern eher ein psychologisches Kräftemessen zwischen Ermittlern und Mördern, in dem die Gedanken der Figuren im Vordergrund stehen. So lernt man u.a. Thorne gegenüber dem ersten Band noch etwas besser kennen und auch seine Kollegen gewinnen eindeutig an Konturen. Dave Holland, im Erstling eher blasser Side-Kick, spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Ihn benutzt Billingham auch einmal mehr als Schlüssel zum Verständnis für professionelle Polizeiarbeit, die hier erneut in allen Facetten (Höhen und Tiefen) dargestellt wird. Aufgelockert wird die Düsternis wieder von einem toll pointierten, zynischen Humor, der nicht selten ein Schmunzeln ins Gesicht des Lesers zaubert. Größter Kritikpunkt ist in diesem Fall aber das Ende. Nicht nur, dass ich die Identität des Mörders schon einige Seiten vorher entschlüsselt haben, auch die Auflösung gerät arg kurz. In dem durchaus packenden Showdown geht eine nähere Erklärung der Hintergründe völlig verloren, weshalb sich der Leser irgendwie überrannt fühlt und einige lose Enden (z.B. Wer war denn nun Caroline?) das Gesamtergebnis etwas trüben. Insgesamt ist "Die Tränen des Mörders" jedoch wieder ein gelungener Polizeiroman mit Thriller-Elementen, der mit einigen Überraschungen aufwartet und für viele Stunden nägelkauende Spannung garantiert. Düster, finster, fesselnd - so wie ein guter Krimi sein soll!
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