Rezension zu "Volkswagen" von Mark C. Schneider
Mit der Geschichte des Landes eng verknüpfte Industriegeschichte
Auf der Höhe der Zeit ist es, und als Wortspiel auch eine gute Zusammenfassung der Bedeutung des Volkswagenkonzerns, wenn Mark Schneider das erste Kapitel seines Buches mit „Götterdämmerung“ überschreibt. Ein Wort, in dem Geschichte und aktueller Zustand des Konzerns, der wie kaum ein anderer die Erfolgsgeschichte der deutschen Wirtschaft, vor allem nach 1950, abbildet.
Noch offen die die Antwort auf das aktuelle Geschehen. Wird der Konzern die Wechsel an der Spitze und sein „Dieselgate“ überstehen, wie es Schneider andeutet?
„Entscheidende Veränderungen bedürfen oft einer fundamentalen Krise wie der, in der Volkswagen steckt“.
Nicht nur in technischen Fragen, sondern wie auch der Wechsel (und die Demontage) bei den beiden langjährigen Spitzen des Konzerns, Piech und Winterkorn, ihre Schatten noch werfen.
Wie es dazu kommen konnte, dem geht Schneider in sehr klarer, einfacher Sprache und flüssig im Stil nach. Wobei er sich im Blick auf die Anfänge des Unternehmens und den Aufstieg zur Weltmarke im Platz beschränkt und hier her in knappen Übersichten den Weg nachzeichnet. Nach knapp 100 der 340 Seiten des Buches ist Schneider weitgehend in der Gegenwart, zumindest der direkten Weichenstellungen für das aktuelle Desaster angelangt.
Das Streben nach „weltweiter Marktführung“ nach dem Fall der Mauer, ausgelöst im Übrigen durch eine der größten Krisen des Unternehmens anfangs der 90er Jahre. Verursacht durch ein zu langes Festhalten von Carl H. Hahn am Chefsessel (eine Parallelität der Ereignisse zur Gegenwart sicherlich) mit einer Hinterlassenschaft, „verlustreich und voller Baustellen“.
Ein Hintergrund, auf dem sich Schneider ausführlich mit der Person Piech beschäftigt und dessen biographischen Hintergrund differenziert nachzeichnet, um die Haltung, die Arbeitsweise, durchaus aber auch die Leistung des Volkswagenlenkers der jüngeren Vergangenheit intensiv zu verdeutlichen.
Eine Geschichte, die wie bei manchen anderen (bis hin zu Winterkorn) in der langen Geschichte des Konzerns aufzeigt, wie anfällig selbst ein solcher Weltkonzern dafür ist, dass Manager und Vorstände eine notwendige innere Distanz nicht oder nicht mehr aufbringen und die eigene Person zu sehr mit der Stellung und dem Geschehen im Konzern verbinden.
Ein Bündel eben auch von menschlichen Irrungen und Wirrungen, Reibungen und Beharrungen, das Schneider gut lesbar und mit hohem Tempo nachvollzieht und vor den Augen des Lesers verständlich ausbreitet. Von der „Supersause für die Stimmung“ beim Antritt Winterkorns 2007 bis zur offenen „Schlacht“ der beiden starken Männer bei VW, Piech und Winterkorn einige Jahre später.
Schlag auf Schlag folgten dann die Momente, in denen andere Dinge im Mittelpunkt des Interesses standen als die Technik der Automobile und das Interesse der Kunden.
„Die Arroganz der Wolfsburger Ingenieure und Manager, besser zu wissen als die Menschen vor Ort, was die Kunden wollen, hat Volkswagen Geld und Sympathien gekostet“.
Eine Arroganz, die auch bei „Dieselgate“ erkennbar im Raume steht und für massive Fehler verantwortlich ist, wie es Schneider klare benennt.
Dennoch schließt Schneider mit einem durchaus hoffnungsvollen Ausblick für den Konzern, sieht aber die in der Geschichte deutlich prägende Spannung zwischen Tendenzen der Zentralisierung und des Einsatzes zur eigenständigen Führung der Marken weiterhin als prägend (und als Gefahr) für den Konzern im Raum stehen.
Eine interessante, in den historischen Teilen recht knappe, die Gegenwart dann aber ausführlich und differenziert betrachtende Darstellung von Geschichte und aktuellem Status Quo des Volkswagenkonzerns. Das Ganze in der Form einer Reportage und weniger als historisches Sachbuch angelegt. Insgesamt bietet Schneider damit ein griffiges Bild des Konzerns, seiner Strukturen und der gestaltenden Persönlichkeiten.