Cover des Buches Tom Sawyers Abenteuer (ISBN: 9783458352167)
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Rezension zu Tom Sawyers Abenteuer von Mark Twain

Ein ewiger Klassiker

von Stefan83 vor 12 Jahren

Rezension

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Stefan83vor 12 Jahren
In der langen Geschichte der Weltliteratur ist er ist wohl der Prototyp des Spitzbuben, der „Lausebengel“ schlechthin: Tom Sawyer. Mit ihm hat sich Autor Mark Twain unsterblich gemacht, eine Figur geschaffen, welche durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder mitten unter uns aufwächst, so dass wir ihn auch heutzutage in jeder Verkleidung wiedererkennen würden. Nie zuvor und selten danach wurde so unbeschwert und gleichzeitig so spannend über das Abenteuer Kindheit geschrieben, wie in Twains Werk aus dem Jahre 1876. Es ist ein Klassiker der Jugendliteratur, der aber auch Erwachsene ansprach und weiterhin anspricht, da sich ein jeder auf irgendeine Art und Weise in dem Jungen wiederfindet. Warum habe ich das Buch so lange unangetastet im Regal stehen lassen? Darauf weiß ich selbst keine Antwort. Fakt ist jedenfalls: Seit Rowlings magischen Geschichten über Harry Potter und Tolkiens wanderndem Hobbit hat mich keine kindliche Romangestalt mehr so begeistert und prächtig unterhalten. Viel zu schnell waren diese 297 Seiten (Insel-Ausgabe, mit Anhang) durchgelesen, gerne hätte ich länger an Sawyers Seite verweilt. Für alle diejenigen, welche, wie zuvor auch ich, nur eine vage Ahnung vom Inhalt des Buches haben, sei der Inhalt an dieser Stelle kurz angerissen: In mehreren kunstvoll verwoben Episoden berichtet Autor Mark Twain von den Abenteuern des jungen Waisenknaben Tom Sawyer, der, bei seiner Tante Polly lebend, zusammen mit seinem Halbbruder Sid, seiner Cousine Mary und dem schwarzen Sklaven Jim, im kleinen Ort St. Petersburg am Mississippi aufwächst. Tom ist ein Lausbub wie er im Buche steht. Er schwänzt gern die Schule, prügelt sich, lügt das sich die Balken biegen und treibt sich zudem mit dem vom Dorf gemiedenen Rabauken Huckleberry Finn herum. Auch wenn er immer wieder bei seinen Missetaten ertappt oder von Sid verpetzt wird, bekommt er nur selten Ärger, da Tante Polly ihn, trotz all seiner Schwächen, ins Herz geschlossen hat. Eine Tatsache, die Tom weidlich ausnutzt, um sich unter anderem die lästige Gartenzaunstreicherei von Nachbarsjungen abnehmen zu lassen, mitsamt seiner Freundin Becky Höhlen zu erforschen oder beim Wettbewerb um eine neue Bibel zu mogeln. Bei einem seiner Ausflüge mit Huckleberry – die beiden wollen um Mitternacht eine tote Katze auf dem Friedhof vergraben – werden sie Zeugen eines Mordes. Während das ganze Dorf den Trinker Potter für den Täter hält, kennen nur die beiden Jungen dessen wahre Identität. Obwohl sie sich schwören, niemanden davon zu erzählen, leben sie fortan in Angst, ihr Geheimnis könne bekannt werden. Aber Tom Sawyer wäre nicht Tom Sawyer, würde er auch nicht in dieser Situation einen Weg finden, um alles zum Guten (zumindest für sich) zu wenden. „Wenn mein Buch auch vor allem zur Unterhaltung von Jungen und Mädchen gedacht ist, hoffe ich doch, dass Männer und Frauen es nicht deshalb meiden werden, denn es war Teil meiner Absichten, Erwachsene auf ersprießliche Weise an das zu erinnern, was sie einmal selbst waren, und daran, wie sie gefühlt und gedacht und geredet und auf welche merkwürdige Unternehmungen sie sich bisweilen eingelassen haben.“ Dieser Auszug aus dem Vorwort des Buches (in dem Mark Twain auch bemerkt, dass ein Großteil seiner Geschichten auf selbst oder von Freunden erlebten Ereignissen basiert) nimmt nicht nur die Intention der erzählten Abenteuer hinweg, sondern dient gleichzeitig auch als Einstimmung für den Leser, der sich bereits hier ganz am Anfang an Twains Hand zurück in die eigenen Kindheitserinnerungen führen lässt und dabei vielleicht sogar einiges hervorholt, was er schon für vergessen glaubte. Was Dichtung und was wirklich Wahrheit ist, ist dann im weiteren Verlauf auch nicht von Belang. Vielmehr zählt die Tatsache, dass man nochmal die Möglichkeit bekommt, die Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen. Sei es auch eine Welt, die so nicht mehr existiert. Mark Twain führt uns zurück in den Süden in der Mitte des 19. Jahrhunderts und wählt mit dem literarischen Ort „St. Petersburg“ eine Schauplatz, welcher mit der Stadt Hannibal in der Nähe von St. Louis eine real existierende Vorlage hat. Hier wuchs der Autor selbst auf, weshalb es möglich ist, einige Orte der Erzählung, darunter u.a. die labyrinthischen Höhlen, heute noch selbst zu besuchen. Dies ist auch ein Grund dafür, warum der Roman, im Gegensatz zu seinem wesentlich düsteren und erheblich ernsteren Nachfolger „Huckleberry Finn“ (die Ich-Perspektive, die er dort verwendet, geht weitaus mehr auf moralische Konflikte ein und macht auf diese Weise eine Gesellschaftskritik eher möglich), durchweg den Charakter einer nostalgischen Idylle behält. Trotz unterdrückter Sklaven, Schlägen durch Lehrer oder kaltblütigem Mord gerät die harmonische und intakte Welt, welche Twain in „Tom Sawyers Abenteuer“ beschreibt, nie wirklich aus den Fugen. Das Buch gilt daher als „Fingerübung“ Mark Twains, da sie nur ansatzweise die Elemente Humor, Satire und Kritik enthält, die ihn später zu einem der wichtigsten Autoren der neueren amerikanischen Literatur machten. Ungewöhnlich war jedoch bereits bei diesem Werk, dass der Autor es in der damaligen Alltagssprache erzählt, womit er ein Gegenkonzept zu den damals üblichen Kinderbüchern über Musterknaben und brave Mädchen entwarf. Durch die Verwendung von Kraftausdrücken kam das Buch in Amerika sogar zunächst auf den Index. Insgesamt dient der Plot aber in erster Linie noch der Unterhaltung und dem Vergnügen. Und beides stellt sich bereits nach wenigen gelesenen Seiten ein, weshalb „Tom Sawyers Abenteuer“ auch für diejenigen Kinder (von ca. 10 – 12 Jahren) geeignet ist, welche sonst eher kein Buch anfassen würden. Nachdem ich mich derart köstlich amüsiert habe, würde ich gar behaupten: Jedes Kind sollte es mindestens einmal gelesen haben. Ein wunderbares, witziges, trauriges und alle Zeiten überdauerndes Buch, das die ehemaligen Südstaaten auf eine anrührend autobiographische Weise zum Leben erweckt und nicht nur in die Sammlung eines jeden bekennenden Literaturkenners gehört. Vielen Dank, für diese schöne Lektüre, Mr. Twain!
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