Mark Vonnegut

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Lebenslauf

Mark Vonnegut, geboren 1947, ist ein amerikanischer Kinderarzt und Autor. Er ist der Sohn des Schriftstellers Kurt Vonnegut und seiner ersten Frau Jane Cox. Im Vorwort seines 1975 erschienenen Buches beschreibt er sich als "Hippie, Sohn eines Helden der Alternativkultur mit einem BA in Religionswissenschaften und einer genetischen biochemischen Disposition für Schizophrenie". Vonnegut studierte Medizin an der Harvard Medical School und arbeitet heute als Kinderarzt in Quincy, Massachusetts.

Quelle: Verlag / vlb

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Neue Rezensionen zu Mark Vonnegut

Cover des Buches Eden-Express: Die Geschichte meines Wahnsinns (ISBN: 9783827011336)
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Rezension zu "Eden-Express: Die Geschichte meines Wahnsinns" von Mark Vonnegut

Turn on, tune in, drop out
jamal_tuschickvor 10 Jahren


LSD war die Droge, Schizophrenie die Krankheit und Anti-Psychiatrie ein Schlagwort der Sechzigerjahre. „Turn on, tune in, drop out“ postulierte Timothy Leary. Die Phrase einer Ära stammte von Marshall McLuhan. Vielleicht wird man die Dekade einmal als eine Renaissance deuten. In einer Zukunft, die den ersten Flug zum Mond wie eine Mayflower-Geschichte begreift. Im Verständnis der Acid-Propheten waren die westlichen Gesellschaften krank, ihre Außenseiter auf einem Weg der Besserung. Ein dilettantisches Interesse an vorzivilisatorischen Kulten verstärkte die Vorstellung, psychische Erkrankungen bahnten Wege zu höheren Einsichten. Auch Mark Vonnegut sieht sich zunächst im Vorteil besseren Begreifens, vielleicht sogar einer Prädestination, soweit es um „Gott und die neuen Lebensformen“ geht: „Ich fühlte mich beschenkt und schön. Das Leben war gnädig und gütig“. Wenn Mark „Hallo Gott“ sagt, grüßt Gott freundlich zurück. Marks Wünsche stehen ganz oben auf der Liste. Der Autor zitiert Charles Manson als Gewährsmann für extreme Selbstbezogenheit: „Wenn Gott in allem ist, wie kann ich dann das Böse sein?“ Manson sattelt Ende der Sechziger von Zuhälter auf Guru und Folkmusiker um. Er singt das Ende vom Macht-Liebe-Lied in der schaurigsten Version. Im Jahr von Altamont platzen die Blütenträume der Blumenkinder. Alle sind „schräg“, mit denen Vonnegut gern zu tun hat. Bald entzieht sich der Schriftstellersohn dem Wehrdienst „mithilfe einer unheimlichen Schizophrenie-Nummer“. Noch hält er sich für einen Simulanten. Psychiatriepatienten sind für ihn „Opfer unserer abgefuckten, materialistischen, unpersönlichen, hektischen, übertechnisierten, entmenschlichenden Gesellschaft“. Während die meisten Hippies Kalifornien ansteuern, reist Mark mit seiner Geliebten Virginia in einer privaten Gegenbewegung nach British Columbia. In der kanadischen Wildnis bezieht das Paar eine Hütte, zu der keine Straße führt. Es erweitert die Wohngemeinschaft und ergründet das Prinzip Selbstversorgung.


Im Original erscheint „Eden Express“ 1975. Vonnegut erlebt seinen Ausstieg (auch) unter dem Verwertungsdruck eines Autors. Jede Verhaftung wegen ungebührlichen Aussehens verspricht poetischen Mehrwert. Er dampft vor lauter Begeisterung für subkulturelle Erscheinungsformen im Zeichen der Räucherstäbchen. Er erzählt von Ökobauern, die sich selbst vor den Pflug spannen, „statt Tiere auszubeuten und irgendwelche Maschinen zu benutzen.“ Ein antitechnischer Affekt knüpft an das magische Denken. Der Autor wird sich seiner Krankheit in einer Umgebung bewusst, die dazu einlädt, Symptome zu delegieren. Vonnegut erlebt seine Schizophrenie zunächst wie einen Geburtsschmerz des neuen Menschen, der im „mystischen Einssein mit allem“ verschmilzt: „Als ich dann anfing, Stimmen zu hören, (nahm ich an) dass alle Stimmen hörten. Ich erkundigte mich ( ): „Und was erzählen euch eure Stimmen so?“
Für die Kommunarden ist Rationalität ein Übel. Die Gruppe befindet sich auf der Suche „nach unbekannten Formen des Denkens“. Manche haben schon beim Gemüseanbau Bedenken, sie streben eine Ernährung auf der Basis von Wildpflanzen an. „Mir kam der Gedanke, ob ich den Bäumen wohl wehtat, und ich fing an, mich bei ihnen zu entschuldigen.“

Allmählich zwingt der persönliche Wahnsinn Vonnegut in eine Differenzierung zum allgemeinen Wahnsinn „der neuen Horizonte und Durchbrüche“ in Angelegenheiten wie „Politik, Drogen, Sex, Religion, Ernährung“. Ich setze Eifersucht dazu. Die späten Hippies verlangen von sich Askese im negativen Gefühlsspektrum. Hass ist ihnen suspekt, Wut erscheint fragwürdig – und so auch Eifersucht. Virginia schläft mit Vincent, dann heult sie in seinen Armen, weil sie „Mark wehgetan“ hat.
Wo Kontrollverlust angestrebt wird, fällt pathologisch unkontrolliertes Verhalten nicht unbedingt auf. Das Zauberwort lautet Verdrängung. Der kanadische Urwald erscheint dem Kollektiv wie eine Instanz gegen Verdrängung. Nur als Beispiel für die Terminologie: „Möglich, dass diese Gefühle den Ausbruch verdrängter Homosexualität darstellten, was klinisch natürlich furchtbar signifikant wäre“. Und so weiter. Doch kommt es soweit, dass Vonnegut glaubt, ein Erdbeben ausgelöst zu haben. Die Vorstellung, psychische Erkrankungen seien ein „Mythos“ und Schizophrenie sei „eine gesunde Reaktion auf eine kranke Welt“ verblasst.
Mark Vonnegut, „Eden-Express - Die Geschichte meines Wahnsinns“, Berlin Verlag, 384 Seiten, 19,99 Euro

Cover des Buches Eden-Express: Die Geschichte meines Wahnsinns (ISBN: 9783827011336)
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Rezension zu "Eden-Express: Die Geschichte meines Wahnsinns" von Mark Vonnegut

Dichtes Portrait einer Zeit, eines gesellschaftlichen Experiments und einer psychischen Krankheit au
M.Lehmann-Papevor 10 Jahren

Dichtes Portrait einer Zeit, eines gesellschaftlichen Experiments und einer psychischen Krankheit aus erster Hand

„Das Problem war, dass, obwohl ich all die Dinge tat, die gute Hippies tun, sie stets mit einer besonderen Note versah …….. um der Hippie zu sein, der ich gerne gewesen wäre“.

Aber 1969 und in den darauffolgenden Jahren war Mark Vonnegut zumindest Hippie genug (und das nicht nur, weil er allen Dingen Namen gab. „Carcar“ für seinen Käfer „Dick“ für den Rennbootmotor, allem eben), einen Gedanken vieler der damaligen Zeit in die Tat umzusetzen.

Aussteigen.
Selbstversorger werden.
Weg von all dem geschäftigen und effektiven Treiben der anderen.
Weg vom Krieg, vom Amerika jener Tage, von einem fremdbestimmten Leben.

Mit seiner Freundin Virgine und bunt zusammengewürfelten anderen (die Vonnegut liebevoll im Buch portraitiert) geht der Weg ans Ende des Highways 101 in British Columbia. Wo die Straße endet, werden Boote beladen, 18 Kilometer über Wasser gefahren und dann noch 2 Kilometer zu Fuß, dann tauchen die 30 Hektar Land auf, welche Vonnegut und seine Mitstreiter erworben haben.

Bildkräftig und flüssig erzählt Vonnegut seine Geschichte, die Hintergründe, legt das Denken der damaligen Zeit, der „Hippies“ unprätentiös vor die Augen des Lesers, bietet dem Leser die Begleitung eines Experiments für ein ganz anderes Leben an mit all seinen Höhen und Tiefen (selbst den ständigen Dreck lässt er nicht aus).
Allein das ist schon des Lesens wert.

„Wir wussten wirklich nicht, dass Drogen schlecht für einen waren“.
„Schließlich waren die Zeiten aus den Fugen. Von den Erwachsenen war sinngemäß zu hören. Sie hätten keine Ahnung, was zu tun sei und es sei nun an uns“.

Aber all das hat Folgen für Vonnegut.
Vielleicht kleine, entscheidende Faktoren, dass eine Krankheit bei ihm ersichtlich wurde.
Allerdings, vielleicht geschah dies auch völlig unabhängig von den äußeren Faktoren durch eine rein genetische Disposition.
Dennoch aber entstehen ganz besondere Umstände, denn Vonnegut ist in einer mentalen Verfassung und an einem ganz besonderen, abgeschiedenen Ort. Beides macht es schwer, überhaupt zu erfassen und dann zu begreifen, was vor sich geht.

„Als ich dann anfing, Stimmen zu hören, war das bloß eine weitere Sache. Ich nahm an, dass alle Stimmen hörten. Ich erkundigte mich bei denen, die neben mir auf dem Sofa saßen: „Und was erzählen euch eure Stimmen so?“ Sie standen auf und gingen“.

Was zu vielfacher Situationskomik zunächst führt, lakonisch und sehr lebendig von Vonnegut im Buch erzählt, lässt doch Seite für Seite dem Leser das Lachen mehr und mehr vergehen.

Schizophrenie aus der Innensicht ist etwas, das man nicht alle Tage zu lesen bekommt und Mark Vonnegut ist in der Lage, mit einer gehörigen Portion Humor und innerer Distanz seinen Weg heraus aus der Gesellschaft, dann krankheitsbedingt „hinein und hinaus“ aus sich selbst ebenso plakativ zu beschreiben, wie er den Weg der Heilung und das „richtig hineinfinden“ hervorragend in Worte zu fassen versteht. Bis hin zu dem „Pendeln“ zwischen Krankenhaus („Klapse“) und Farm, das für eine Weile im Raum steht und die Reibung zwischen „System“, „Gesundheit“ und „Aussteigen“ zu beschreiben versteht.

„Hinein in sich selbst“ letztendlich wird der Weg sein, wohlgemerkt, denn nur um das reine Funktionieren in der Gesellschaft dann wieder geht es weder ihm noch ist dies Thema des Buches (Jahre später wurde Vonnegut Kinderarzt).

Sondern eine Balance herzustellen zwischen der inneren Haltung eines „so will ich nicht“ zu einem Experiment des Ausstiegs (das ihm letztlich nicht gut tat, trotz aller Euphorie zunächst), zwischen seiner zunehmenden inneren Spaltung und den eigentlich realen Dingen, die nicht zueinander passten zu jener Zeit (die merkwürdige Fremdheit in seiner Beziehung zu seiner Freundin Virgine und umgekehrt), all das ist faszinierend zu lesen. Wohlwissend, dass die Geschichte des Mark Vonnegut ein Happy End finden wird.

Eine sehr interessante und empfehlenswerte Lektüre über ein Leben, das äußerlich und innerlich so ganz anders über lange Jahre war, als der der breiten Norm entspricht und gerade deswegen viel für das „normale“ Leben an Reflexion bereit hält.

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